Forschungs- und Lehrschwerpunkte - Prof. Dr. Heike Holbig

Das Profil der Professur in Forschung und Lehre besteht in der Beschäftigung mit gegenwartsbezogenen Fragen der politikwissenschaftlichen Chinaforschung aus einer vergleichenden Area Studies-Perspektive. Die Professur trägt damit der hohen empirischen Relevanz Rechnung, die einem sozialwissenschaftlich fundierten Verständnis des tiefgreifenden politischen und sozioökonomischen Transformationsprozesses in China im Kontext der Globalisierung zukommt.

Der Schwerpunkt theoriegeleiteter Forschung liegt in einer regionalwissenschaftlich unterfütterten Autoritarismusforschung, die neben der funktionalistischen Analyse von Regimetransitionen auch Prozesse der Herausbildung und Diffusion von Normen sowie den Einfluss von Diskursen und Framing-Prozessen auf politisches und gesellschaftliches Handeln in die Analyse einbezieht. Da solche normativen und diskursiven Prozesse immer stärker über das nationalstaatliche Innenleben autoritärer Regime hinausweisen, gilt es dabei, die internationale Dimension systematisch zu berücksichtigen und die immer wieder geforderte Überwindung der disziplinären Grenzen zwischen Vergleichender Politikwissenschaft und Internationalen Beziehungen einzulösen. Insbesondere spielen dabei Fragen der Legitimierung autoritärer Herrschaft im internationalen Kontext eine Rolle, die am Beispiel der Volksrepublik China entwickelt und im Spannungsverhältnis zu global verbreiteten demokratischen Normen und Legitimierungsansprüchen untersucht werden. Ein laufendes Forschungsprojekt, das im Rahmen des Kompetenznetzes „Regieren in China“ von 2010 bis 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wurde, widmete sich dem Thema „Ideologischer Wandel und Regimelegitimität“ in China. In verschiedenen Publikationen hat Heike Holbig das Thema seither weiter verfolgt.

Ferner war die Professur von 2013 bis 2017 an dem interdisziplinären und transregionalen Verbundprojekt der Goethe-Universität Frankfurt „Afrikas Asiatische Optionen (AFRASO)“ beteiligt, das ebenfalls vom BMBF gefördert wurde. Das Frankfurter Inter-Zentren-Programm zu neuen afrikanisch-asiatischen Interaktionen widmete sich den neuen Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten Afrika und Asien in vergleichender und transregionaler Perspektive. Im Rahmen dieses Verbundes bearbeitete die Professur in enger Kooperation mit KollegInnen am IZO, am ZIAF und am Fachbereich 03 ein Teilprojekt zu Chinas Einfluss auf das Verständnis von guter Regierungsführung, Entwicklung und internationaler Kooperation in Afrika.

Schutz des Schwachen. Verwobene Prozesse von Framing, Mobilisierung und Institutionalisierung in Ostasien“  ist das jüngste von der Professur angestoßene drittmittelgestützte Forschungsprojekt, das seit Januar 2014 von der VolkswagenStiftung in deren Initiative „Schlüsselthemen für Wirtschaft und Gesellschaft“ gefördert wird. Gemeinsam mit den IZO-Professuren Amelung (Sinologie, FB09), Bälz (Recht Japans, FB01) und Storz (Wirtschaft Japans, FB02) widmet sich das zunächst auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt der vergleichenden Analyse von Prozessen der Anerkennung schutzwürdiger Gruppen und Interessen in China und Japan vor dem Hintergrund historisch geformter Konstruktionen von Moderne in den beiden ostasiatischen Ländern.  Die Forschungsergebnisse wurden im Sommer 2018 in einem Sammelband mit dem Titel Protecting the Weak in East Asia. Framing, Mobilisation and Institutionalisation (Routlege Contemporary Asia Series) veröffentlicht.

Unter dem Titel „Legitimate Multipolarity“ startet Ende 2018 ein neues DFG-Forschungsprojekt, in dem Heike Holbig sich gemeinsam mit Amrita Narlikar und Johannes Plagemann vom GIGA German Institute of Global and Area Studies in Hamburg der Frage widmet, in welcher Weise der Aufstieg neuer Mächte die globale Ordnung verändert. So hat der gestiegene Einfluss einiger Staaten des globalen Südens die Konsensfindung in internationalen Organisationen erschwert. Andererseits erscheint eine gewichtigere Rolle in internationalen Organisationen für Staaten wie China und Indien, die gemeinsam mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren, prima facie legitimitätsstiftend. In einem ersten Schritt untersucht Legitimate Multipolarity anhand von drei Fallstudien (WTO, G20, AIIB) inwieweit der Aufstieg neuer Mächte die Legitimität internationaler Institutionen berührt. Dabei liegt dem Vorhaben ein empirisches, nicht normatives, Verständnis von Legitimität zugrunde. In einem zweiten Schritt befasst sich Legitimate Multipolarity mit den außenpolitischen Diskursen in den beiden prominentesten aufstrebenden Mächten: China und Indien. Dabei untersucht das Vorhaben inwieweit offizielle und öffentliche Diskurse die Herausforderungen multipolarer Ordnungen reflektieren und Lösungen für die im ersten Arbeitsschritt identifizierten Legitimitätsproblemen anbieten. Zudem untersucht das Vorhaben hier, auf welche Weise China und Indien die eigene Autorität sowohl innerhalb internationaler Institutionen als auch gegenüber anderen Staaten zu legitimieren suchen.

Über die theoretische Schwerpunktsetzung in der Forschung hinaus ist die Lehre empirisch breit aufgestellt. Im Mittelpunkt steht hier die Vermittlung sozial- und regionalwissenschaftlicher Kompetenzen zur Analyse des tiefgreifenden politischen und sozioökonomischen Transformationsprozesses in China im Kontext der ökonomischen Globalisierung sowie die sich verändernde Wahrnehmung der Volksrepublik in der ostasiatischen Region und im weltpolitischen Kontext. Auch hier werden die Perspektiven der Vergleichenden Politikwissenschaft auf die Internationalen Beziehungen hin geöffnet. Inhaltlich reicht das Spektrum der Lehrangebote von Einführungsveranstaltungen zur Politik und Gesellschaft Chinas über Seminare zur Autoritarismusforschung hin zu (meist englischsprachigen) Spezialisierungskursen im Masterstudiengang Modern East Asian Studies (MEAS) am Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien (IZO) der Universität, die in der Regel auch für Studierende des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften geöffnet werden.

Als ein innovatives Element der Lehre wurden Schreibwerkstätten („Academic Writing“) mit inhaltlichem Bezug zur Politik Chinas und Ostasiens konzipiert, die auf die praktische Vermittlung zentraler Grundfertigkeiten wissenschaftlichen Schreibens abzielen. Im Mittelpunkt steht die eingehende Vermittlung praktischer Kompetenzen beim Verfassen wissenschaftlicher Artikel, die aktive Auseinandersetzung mit Begutachtungsverfahren referierter Zeitschriften und ggf. deren Erprobung anhand erster eigener Publikationsversuche der Studierenden in referierten Zeitschriften. Anreize für Studierende zum frühzeitigen wissenschaftlichen Publizieren, Nachwuchsförderung und beruflicher Praxisbezug werden so miteinander verbunden.


KONTAKT

Prof. Dr. Heike Holbig

Goethe-Universität Frankfurt a.M.

Fachbereich 03 Gesellschaftswissenschaften
Institut für Politikwissenschaft

Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien (IZO)

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