August Schorsch: Der Stifter der Josef Popper Nährpflicht - Stiftung

"Ein Koffer voll Karl Kraus und Josef Popper" von Reinald Ullmann

Der Stifter, Herr Dipl.-Ing. August Schorsch (links), im Gespräch mit dem Präsidenten der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Herrn Prof. Dr. Klaus Ring, amläßlich der Gründung der Josef Popper Nährpflicht Stiftung. (Photo: R. Heising)

   

Ich lernte August Schorsch erst ziemlich spät kennen. Ob ich, so fragte er mich Anfang der 80er Jahre, als Philologe eine Möglichkeit sehen würde, Leben und Werk Josef Poppers einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das war der Anfang einer vertrauensvollen, ja freundschaftlichen Beziehung. In endlosen Gesprächen schilderte er mir sein bewegtes Leben.
1899 im niederösterreichischen Göllersdorf geboren, lebte August Schorsch von 1900 bis 1928 in Wien, dem Wirkungskreis Poppers. Dort begann er 1919 sein Studium für Architektur und Hochbau. Sein Lehrer Adolf Loos, Verfechter einer neuen Sachlichkeit in der Archi­tek­tur, führte ihn in den Geistes- und Kulturkreis so berühm­ter Männer wie Karl Kraus und Arnold Schönberg ein. Ihnen war eines gemeinsam: die soziale Gei­stes­haltung, der ausgeprägte moralische Anspruch und die große Virtuosität der sprachlichen bzw. musikalischen Äußerung.1928 verließ Schorsch die österreichische Metropole. “Ich kam”, so schil­derte er, “in Hanau am Main mit zwei Koffern an: in dem einen meine per­sönliche Kleidung, in dem anderen die Bücher von Karl Kraus und Josef Popper.”

In den Kriegsjahren beschäftigte sich Schorsch intensiv mit Popper. Ein ge­fährliches Unternehmen, denn die mittlerweile verbotenen Bücher mußten heimlich in einem Luftschutzbunker deponiert werden. Und um die verfemte Musik Schönbergs hören zu können, besuchte er Frankfurter Veran­staltungen über “entartete Kunst". Jahrzehntelang versuchte Schorsch vergeblich, das Werk Poppers zu ak­tualisieren. Immer wieder stieß er beim Fernsehen, beim Rundfunk, bei Zeitungen und Zeitschriften auf Unverständnis. Ich riet ihm Anfang der 80er Jahre, Josef Popper im Rahmen einer Stiftung ein Denkmal zu setzen. Damit würden einerseits die Werke von und über Popper an einem zentralen Ort öffentlich zugäng­lich gemacht. Andererseits könne eine Stiftung auch zu einem Forschungszen­trum werden und somit die wissenschaftliche Aus­einandersetzung mit Poppers Ideen fördern.

Schorsch war begeistert von diesem Vorschlag. Nach jahrelangen Vor­ge­sprächen wurde so am 26. November 1986 die Josef Popper-Nährpflicht-Stiftung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main gegründet. Maß­geblich betei­ligt an den Vorarbeiten war auch die Ehefrau des Stifters, Frau Gertrude Schorsch, die jedoch die Gründung selbst nicht mehr erleben konnte.

August Schorsch war Pragmatiker. Zeitgleich mit der Stiftungsgründung gab er eine gekürzte und kommentierte Ausgabe von Poppers Allgemeiner Nähr­pflicht heraus. Dieses Buch ist mehr als eine Kurzfassung, es ist eine Sozialstudie mit dem programmatischen Titel Des Ingenieurs Josef Poppers Allgemeine Nährpflicht als nötige Institution für die Compu­tergesellschaft. Popper wollte eine aus den Fugen geratene Welt im frühen 20. Jahrhundert reformieren. Schorsch war überzeugt, daß eine gesellschaftliche Erneue­rung auch am Ende des Jahrhunderts mehr als notwendig ist. Eine auf­ge­blähte Technik, wach­sende Arbeitslosigkeit und soziale Verelen­dung wür­den Probleme bilden, die mit den Gesetzen der frei Markt­wirt­schaft nicht mehr zu lösen seien.

Für die Menschen in der Bun­des­republik und für das Land selbst, so schreibt er in seinem Buch, wäre es ein Glücks­fall, wür­den wir uns entschließen, die Allgemeine Nähr­pflicht zu reali­sie­ren. Und hoffnungsvoll fügt er hinzu: “Unter der Flagge der Frei­heit könn­te die Allgemeine Nährpflicht als Friedenswerk des Jahrhunderts gefeiert werden.”
August Schorsch starb am 17. April 1990. Es ist sein Verdienst, mit der Josef Popper-Nährpflicht-Stiftung die Grundlage für eine Neubelebung der Popperschen Ideen geschaffen zu haben. Damit hat er nicht nur dem Wiener Sozial­reformer, sondern auch sich selbst ein Denkmal gesetzt.