Ve​rans​taltu​ng​​en von und mit Mitgliedern des Instituts für Soziologie ​​​​​​​

Vortrag

Nov 2 2021
16:15 - 17:45

02. November 2021 - Community-Kapitalismus und die neue Kultur der Umsonst-Arbeit

Vortragsreihe "Kritische Soziologie": Community-Kapitalismus und die neue Kultur der Umsonst-Arbeit | Dr. Tine Haubner (Friedrich-Schiller Universität Jena)

Der Gegenwartskapitalismus steckt nicht nur in einer ökonomischen, sondern längst auch in einer ökologischen, politischen und sozialen Funktionskrise. Die multiplen Krisendynamiken der letzten Jahre verdichten sich zudem zu einer Krise der sozialen Reproduktion: Jahrzehnte der Privatisierung, Deregulierung und Kommodifizierung haben private und öffentliche Sorgekapazitäten erodieren lassen, auf die der Kapitalismus mit seiner strukturellen „Sorglosigkeit“ konstitutiv angewiesen ist.

Hat sich der neoliberale Kapitalismus also gewissermaßen selbst zu Tode gesiegt? Nein – lautet die Antwort. Der Kapitalismus stellt vielmehr aufs Neue seine enorme Wandlungsfähigkeit unter Beweis, nimmt vom jahrelang gepredigten radikalen Individualismus Abstand und treibt die Suche nach gemeinschaftsförmigen Krisenlösungen voran. Unbezahlte Arbeit war und ist das Lebenselixier des Kapitalismus: Nicht nur die modernisierungstheoretisch gerahmte Hoffnung der Durchsetzung regulärer Lohnarbeit bleibt im globalen Maßstab unerfüllt; auch in den Zentren des globalen Nordens ist eine Rückkehr informeller, rechtlich ungeschützter Arbeitsverhältnisse zu beobachten. Und je weniger selbstverständlich unbezahlte Arbeit im Privathaushalt erbracht wird, desto größer wird die Bedeutung informeller Sorgearbeit außerhalb der Familie, die in Zeiten der Krise der sozialen Reproduktion zum Gegenstand politischer Steuerung und Aktivierung avanciert.

Vor diesem Hintergrund diskutiert der auf einer aktuellen Publikation beruhende Vortrag die Bedeutung des Community-Kapitalismus, dessen politische und moralische Ökonomie sich durch die Verzivilgesellschaftlichung der sozialen Frage und die Verknüpfung von nicht regulär entlohnter Arbeit und Gemeinschaftspolitik auszeichnet: Wie verändert sich das Verhältnis von Markt, Staat, Familie und Zivilgesellschaft? Erleben wir eine Informalisierung von Arbeit und Sorge im Gewand neuer Gemeinschaftlichkeit? Und was bedeutet das für unser Verständnis von sozialen Rechten?


Der Vortrag findet c.t. und über Zoom statt; bitte melden Sie sich bei OLAT an.