Wie
weit und umkämpft war dieser Weg? Von der Entpolitisierung des
Oktoberfestattentats
1980 über die Verdächtigungen der Opferangehörigen des sogenannten NSU
in den 2000ern bis hin zur öffentlichen Wahrnehmung der Familien der
Getöteten des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau 2020. Erst jetzt
scheint sich eine längst überfällige gesamtgesellschaftliche
Debatte in Bewegung zu setzen: über mangelnde Repräsentation, mahnende
Erinnerung und sich verändernde Gedenkkultur, über strukturellen
Rassismus und Behördenblindheit gegenüber Menschen, die sich längst
nicht mehr als Teil einer
Gesellschaft fühlen. Im Zentrum dieser Debatte stehen Menschen, die von
Rassismus betroffen sind. Sie sind es, die sowohl in Deutschland als
auch global antirassistische Bewegungen initiieren und tragen, ihre
Erfahrungen – auch als intergenerationelles Wissensarchiv
– vermitteln und eine antirassistische Haltung entwickeln müssen, um
ein würdevolles Leben zu leben. Es ist ihre Haltung, die situierte
Wissensbestände und Kämpfe um Teilhabe, Solidarität und Gerechtigkeit in
rassistischen Gesellschaftsstrukturen geltend
macht und einen institutionellen, sozialen und politischen Wandel
maßgeblich vorantreibt. Die jüngere Geschichte des rechten Terrors ist
daher auch als eine Geschichte der symbolischen und materiellen Kämpfe
emanzipatorischer, antifaschistischer und antirassistischer
Bewegungen sowie kritischer Öffentlichkeit(en), die die Fehler und
Lücken in den offiziellen und dominanten Narrativen immer wieder
herausarbeiten und ihnen mit den Perspektiven der von Rassismus
Betroffenen entgegenwirken – häufig unter persönlichem Risiko,
weil sie dabei oft selbst zu Objekten von sozialer und staatlicher
Repression gemacht werden.
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Dr. Onur Suzan Nobrega
ist
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Soziologie mit den
Schwerpunkten Kultur und Migration sowie Frauen- und
Geschlechterforschung
an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie promovierte 2016 am
Goldsmiths, University of London in Media and Cultural Studies und
arbeitet seit 2008 international in Lehre und Forschung zu den Themen
Rassismus, Kolonialismus und Intersektionalität. Dr.
Nobrega ist Vorstandsmitglied des internationalen Migrant Dramaturgies
Networks und der Fachgesellschaft Dekolonial für rassismuskritische,
postkoloniale und dekoloniale Theorie und Praxis