The Rural-Urban Divide in Europe (RUDE)

Zunehmender Populismus und zunehmende Polarisierung verbunden mit abnehmender demokratischer Legitimität deuten auf eine Krise in europäischen Demokratien hin. Diese Krise hat eine regionale Dimension: ein politisches und vielleicht auch kulturelles Gefälle zwischen Stadt und Land. Das Projekt untersucht, ob und wie das Wohnen in der Stadt oder auf dem Land mit Unterschieden in Legitimitätsüberzeugung, sozialer Identität, der Wahrnehmung von Ungerechtigkeit und Bedrohung, politischen und sozialen Einstellungen und dem politischen Verhalten europäischer Bürger zusammenhängt. Es betrachtet “Democratic governance in a turbulent age”, demokratische Staatsführung in unruhigen Zeiten, aus verschiedenen Blickwinkeln. Zum einen befasst es sich mit dem Wandel von Identität und dessen Konsequenz für demokratische Staatsführung und politische Repräsentation. Stabile Konfliktlinien entstehen nur, wenn das Ringen um Identität von der Wahrnehmung sozialer Ungleichheit und unfairer Ressourcenverteilung begleitet ist. Zum anderen untersucht es die Rolle der Globalisierung: das zunehmende ökonomische Gefälle zwischen Stadt und Land führt zu einer Bedrohung des sozialen Status, die das politische Gefälle zwischen Stadt und Land weiter verschärft. Das Projekt wird eine breit angelegte vergleichende Studie zu allen europäischen Ländern mit einer eingehenden Analyse von fünf etablierten europäischen Demokratien kombinieren. Es wird bedeutende neue Befunde zu Unterschieden zwischen Stadt und Land in der europäischen Politik liefern, die es uns ermöglichen werden, die Folgen – und die Heilmittel – der gegenwärtigen Krise der Demokratie zu untersuchen und dabei sowohl Wissenschaftler als auch politische Entscheidungsträger als Zielgruppe anzusprechen.

Projektleitung: Prof. Sigrid Roßteutscher, PhD

Projektlaufzeit: 2021 - 2024


Technologie statt Institutionen? Die Blockchain-Technologie als Bedrohung des Bankensystems

Die wohl bekannteste Anwendung der Blockchain-Technologie ist Bitcoin, die erste digitale Währung (Kryptowährung), mit der in einem weltweiten dezentralen Zahlungssystem Transaktionen abgewickelt werden können. Dabei hat sich schnell herausgestellt, dass die Anwendungsmöglichkeiten von Blockchain weit über digitale Währungen hinausgehen. Eine ganze Reihe kommerzieller Akteure, zunächst Start-ups, aber auch Banken und traditionelle IT-Unternehmen wurden dadurch motiviert, sich an der Weiterentwicklung von Blockchain zu beteiligen. Blockchain verspricht, die bisher zur Validierung von Transaktionen notwendigen (Macht-) Instanzen wie Staaten, aber auch Banken oder Kreditkartenfirmen auszuschalten. Transaktionen aller Art, vom Zahlungsverkehr bis hin zur vertraglichen Festlegung von Eigentumstiteln, sollen nun auf Peer-to-Peer-Basis stattfinden und müssen nicht mehr durch eine dritte Instanz verifiziert werden. Dieses Forschungsprojekt stellt die Frage nach der Realisierbarkeit der Ankündigung der Blockchain-Apologeten, alle Intermediäre überflüssig zu machen und durch dezentral organisierte Peer-to-Peer-Netzwerke zu ersetzen. Diese Frage ist nicht nur von spekulativem Interesse, sondern soziologisch bzw. politökonomisch in höchstem Maße relevant, da ihre Beantwortung an die Grundfesten der kapitalistischen Gesellschaftsordnung rührt. Kapitalistische Wirtschaftssysteme sind auf zentralisierte Austauschsysteme mit dominierenden Akteuren, etwa Zentralbanken, angewiesen.

Projektleitung: Prof. Dr. Barbara Brandl

Projektlaufzeit: 2020-2023


Religiöse und nichtreligiöse Kontingenzbewältigung in der individualisierten Gesellschaft

Kontingenzbewältigung wird in den Sozial- und Geisteswissenschaften in erster Linie als ein religiöses Phänomen betrachtet. Durch eine derart verengte Sicht haben nichtreligiöse Formen der Kontingenzbewältigung nicht die systematische Beachtung gefunden, die sie verdienen. Darüber hinaus mangelt es den überwiegend theoretischen und ideengeschichtlichen Analysen zu Kontingenzerfahrungen und ihrer Bewältigung nicht nur an empirischen Fundierungen, sondern auch an gegenstandsadäquaten begrifflichen Konturierungen. Das Vorhaben widmet sich diesen Desideraten: Es werden sowohl religiöse als auch nichtreligiöse Praktiken der Kontingenzbewältigung in den Blick genommen. Dabei beforscht das Projekt spezifisch moderne Kontingenzerfahrungen, die durch gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen hervorgerufen und von Akteurinnen und Akteuren im Modus einer Biographisierung des Lebenslaufs erlebt werden. Das Ziel ist die Entwicklung einer empirisch begründeten Theorie, die religiöse und nichtreligiöse Strategien der Kontingenzbewältigung in ihrer Entstehung, Anwendung und Wirkung erklärt.

Projektleitung Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty

Projektdauer: 2020-2023


Digitale Entfremdung und Aneignung von Arbeit: Entfremdungserfahrungen in digitaler Dienstleistungsarbeit

Die Digitalisierung der Arbeitswelt kann als Treiber eines grundlegenden Strukturwandels der Arbeit verstanden werden. Dadurch stellen sich vielfältige Fragen nach der Zunahme von Fremdbestimmungen durch Algorithmen, Verlusten von Zeitautonomie, neuen Formen der Fragmentierung von Arbeit oder Veränderungen von sozialen Beziehungen. Um solche problematischen Entwicklungen zu beschreiben, wird im aktuellen Diskurs vereinzelt das Stichwort der Entfremdung genutzt. Der Nutzen eines solchen Konzepts im Kontext der digitalen Arbeit liegt in der Erforschung von Problemen, die über mögliche Autonomieverluste hinausgehen und Fragen wie einen Sinnverlust in der Arbeit sowie veränderte Selbstkonzeptionen beinhalten. Bisher beschränken sich die Ausführungen zum Begriff der Entfremdung meist auf sozialphilosophische Arbeiten. Eine empirische Analyse des Konzepts im Bereich der digitalen Arbeit fehlt weitgehend. Das Projekt schließt an dieses Desiderat an und widmet sich der Untersuchung digitaler Entfremdung. Untersucht werden Erfahrungen von Entfremdung und Aneignungsbemühungen von Arbeitnehmern auf verschiedenen Qualifikationsebenen in digitalen Arbeitsformen. Da die Entfremdung in der Vergangenheit vor allem in gering qualifizierten Bereichen der industriellen Arbeit untersucht wurde, ist über die Entfremdungspotenziale der digitalen Dienstleistungsarbeit wenig bekannt. Um diese Lücke zu schließen, untersucht das Projekt die digitale Dienstleistungsarbeit in etablierten Berufsfeldern und neuen Berufen der digitalen Ökonomie. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines empirisch fundierten Konzepts digitaler Entfremdung in der Arbeit. Eine zentrale Frage ist, inwieweit die digitale Arbeit in verschiedenen Berufsgruppen des Dienstleistungssektors mit spezifischen Entfremdungserfahrungen einhergeht. Dies geschieht durch eine innovative Form des Zugangs zu subjektiven Entfremdungserfahrungen, die zwischen verschiedenen Ebenen von Entfremdungserfahrungen unterscheidet (biographisch, leiblich-emotional, praktisch- handelnd, kritisch-evaluativ). Ziel der Studie ist es, Einblicke in die Erfahrungen von Beschäftigten unterschiedlicher Qualifikationsebenen zu gewinnen und auf dieser Grundlage eine empirisch geerdete Definition digitaler Entfremdung zu entwickeln. Es wird ein qualitativer Forschungsansatz verwendet, bei dem Interviews und Gruppendiskussionen mit Beschäftigten in der Dienstleistungsarbeit durchgeführt werden. Untersucht werden hochqualifizierte, qualifizierte und gering qualifizierte Beschäftigte. Damit verbindet das Projekt theoretische, methodische und empirische Fragen der Entfremdungsforschung und zielt darauf ab, Entfremdung als Kategorie der Arbeitssoziologie zu rekonzipieren. Darüber hinaus werden verschiedene Ansätze zur Entfremdung aus der Soziologie, Psychologie und Philosophie einbezogen. Durch diese Verbindungen wird es möglich, das Konzept der Entfremdung für eine vielschichtige Beschreibung sozialer Probleme fruchtbar zu machen.

Projektleitung: Dr. Friedericke Hardering (an der G-U)
Projektdauer: Seit 2019


Contested Legitimacy of Regenerative vs. Established Biomedicine in Brazil. On the Circulation and Co-regulation of Immunostimulant Therapies for Autoimmunity

Ziel meines Vorhabens ist, die Vernetzungen für und die Auswirkungen von immunstimulierenden Therapien als Innovation für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen auf Wissenschaft, Recht und Gesellschaft in Brasilien aus einer ethnologisch-soziologischen Perspektive zu untersuchen.Autoimmunerkrankungen werden weltweit seit einigen Jahrzehnten in der Regel palliativ mit Immunsuppressiva (MTX, Biologicals usw.) behandelt. Um zu verstehen, wie sich Medizinwissenschaft, Recht und Wirtschaft gegenseitig koproduzieren und ihre jeweiligen Grenzen in diesem Kontext verhandeln, nehme ich im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie einige Immunstimulanzien – vor allem die 'Vacina Antibrucélica' (nun ersetzt durch den ‚Complexo de Amino Ácidos Essenciais‘) und die 'fosfoetanolamina sintética' – in den Blick. Diese Arzneimittel sind in Brasilien entwickelt worden, begegnen als biotechnologische Innovationen für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen jedoch legalen Schwierigkeiten bei dem Versuch, von brasilianischen regulatorischen Behörden zugelassen zu werden. Trotzdem nehmen ihre Annahme und Zirkulation im informellen Sektor z. B. durch neue Medien ständig zu. In Zusammenhang damit beschreibe ich bionetzwerkende Praktiken, die Anhänger von life assemblages für regenerative Medizin zur infrastrukturellen, moralischen und rechtlichen Unterstützung von Immunstimulanzien durchführen.Meine Hypothese ist, dass die zunehmende Zirkulation und Annahme von Immunstimulanzien für Autoimmunerkrankungen durch den informellen Sektor und Gerichtsverfahren die Position der Immunsuppressiva als hegemonisches Therapiemodell paradigmatisch bedroht und mit dem globalen Aufkommen der regenerativen Medizin zusammenhängt.
Projektleitung: Dr. Màrcio Vilar
Projektlaufzeit: 2019 - 2022

Betriebliche Ursachen geschlechtsspezifischer Karriereverläufe: eine Studie zur Rolle von Personalpolitik und Organisationskontext unter Verwendung von Linked Employer-Employee-Daten

Das Forschungsvorhaben untersucht, wie firmenspezifische Faktoren Karrierewege von Männern und Frauen strukturieren. Wir konzentrieren uns dabei zum einen auf die Rolle der betrieblichen Personalpolitik, v.a. deren Formalisierung sowie der Bedeutung betrieblicher Gleichstellungspolitik, und zum anderen auf den strukturellen Kontext der Organisation, v.a. im Hinblick auf die Berufsstruktur des Unternehmens, der firmenspezifischen Lohnlücke zwischen den Geschlechtern und dem Frauenanteil in Leitungspositionen. Wir streben im Rahmen des Projektvorhabens an, die Effekte dieser Betriebsmerkmale für unterschiedliche Aspekte der Karriereverläufe von Männern und Frauen zu ermitteln, so etwa für Geschlechterunterschiede in den Einstiegsgehältern, Geschlechterunterschiede im Hinblick auf firmenintern Beförderungschancen, Geschlechterunterschiede im Zugang zu Führungspositionen, oder auch Geschlechterunterschiede in den Turnover-Raten. In unseren empirischen Analysen werden wir den Linked Employer-Employee-Datensatz (LIAB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nutzen, um die Zusammenhänge zwischen betrieblichem Kontext und geschlechtsspezifischen Karrieremustern empirisch abzuschätzen. Darüber hinaus werden wir die repräsentativen Haushaltsdaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) heranziehen, um den Beitrag geschlechtsspezifischer Karriereverläufe zur Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zu quantifizieren. In unseren statistischen Analysen werden wir eine Reihe verschiedener ökonometrischer Verfahren anwenden, u.a. etwa lineare Mehrebenenmodelle für Paneldaten, hierarchische Modelle der Ereignisanalyse und einschlägige Dekompositionsverfahren nach Blinder-Oaxaca.

Projektleitung: Prof. Dr. Markus Gangl und Anne Kronberg, PhD (University of North Carolina)
Projektlaufzeit: 2018-2021


Der Einfluss familienfreundlicher Maßnahmen in Betrieben auf das Arbeitsmarktverhalten von Müttern und Vätern – eine empirische Analyse mit verknüpften Betriebs- und Personendaten

Kooperationsprojekt mit dem Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Im Fokus des Projekts stehen betriebliche familienfreundlichen Maßnahmen, welche auf eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zielen. Familienfreundliche Maßnahmen sind nicht nur ein zentrales Thema in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik, sondern mittlerweile fester Bestandteil in der betrieblichen Personalpolitik. Während die familienpolitischen Maßnahmen bereits evaluiert wurden, besteht eine Forschungslücke für die betrieblichen Maßnahmen.

Das Projekt greift auf verknüpfte Betriebs- und Personendaten (sogenannte Linked-Employer-Employee-Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)) zurück, die eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen betrieblich angebotenen Maßnahmen und staatlich gesteuerten Rahmenbedingungen sowie regionalen Kontextfaktoren auf individuelle Arbeitsmarktentscheidungen erlauben.  

Das Projekt soll folgende  Forschungsfragen beantworten:

(1) Unter welchen Kontextbedingungen führen Unternehmen betriebliche familienfreundliche Maßnahmen ein und welche Veränderungen zeigen sich im Laufe der Zeit aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Themas in der Gesellschaft?
(2) Welche Auswirkungen haben betriebliche familienfreundliche Maßnahmen auf das Arbeitsmarktverhalten der Belegschaft, insbesondere der Mütter und Väter, in unterschiedlichen betrieblichen und regionalen Kontexten und unter verschiedenen familienpolitischen Rahmenbedingungen?

Projektleitung: Prof. Dr. Daniela Grunow
Projektlaufzeit: 2017-2020


Familiäre Instabilität und Bildungsungleichheit: Eine empirische Studie über die Rolle der sozialen Herkunft und des institutionellen Kontexts für den Effekt von Familienkonstellationen auf Bildungschancen

Das Forschungsvorhaben untersucht inwiefern familiäre Instabilität zur Bildungsungleichheit in Deutschland und anderen europäischen Ländern beiträgt. Ziel des Projekts ist es, die Auswirkungen instabiler Familienkonstellationen auf die Bildungsübergänge in die Sekundar- und Tertiärstufe für Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft und in verschiedenen institutionellen Kontexten empirisch zu ermitteln. Im Rahmen des Projekts werden die Auswirkungen von durch die Trennung der Eltern erzeugte Instabilität für unterschiedliche soziale Schichten in Deutschland untersucht. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die zugrunde liegenden Mechanismen gelegt (z. B. Einkommensunsicherheit und Aspirationsfaktoren), die für die schichtspezifischen Konsequenzen der Bildungsübergänge der Kinder ausschlaggebend sind. Darüber hinaus befasst sich das Projekt mit der Bedeutung institutioneller Kontexte und wird insbesondere die Rolle von Sozialpolitik und die Ausgestaltung spezifischer Bildungssysteme bei der Verringerung negativer Auswirkungen alleinerziehender Elternschaft auf die Bildungsübergänge von Kindern in verschiedenen europäischen Ländern untersuchen. Die empirischen Analysen des Projektvorhabens basieren auf den Paneldaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), um die kausalen Effekte der Trennung der Eltern auf die Bildungsübergänge zu ermitteln, und auf EU-SILC-Paneldaten für 32 europäische Länder, um die Rolle institutioneller Kontexte zu untersuchen. Die statistische Analyse beruht auf Modellen für Langzeitdatensätze; im Besonderen auf dem Geschwister-basierten Sibling Fixed-Effects-Schätzers, Matching-Techniken und verschiedenen Spezifikationen von Mehrebenenmodellen.

Projektleitung: Kristina Lindemann, Ph.D.
Projektlaufzeit: 2020-2023


Flucht aus der Freiheit. Der Weg junger Männer in den Dschihadismus

In den Jahren 2011 bis 2018 zogen über 950 Personen aus Deutschland und knapp 300 Personen aus Österreich in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und im Irak, um an der Seite dschihadistischer Gruppierungen am Aufbau eines islamischen Staates mitzuwirken. Der überwiegende Anteil dieser sogenannten foreign fighters wurde in Deutschland oder Österreich sozialisiert, lebte in den dortigen urbanen Zentren und besuchte die Schule bzw. war in einer Ausbildung, arbeitete oder studierte. Für viele führte das dschihadistische Engagement zu einem Bruch mit ihren bisherigen Lebensweisen und ihrem sozialen Umfeld. In dem Forschungsprojekt »Flucht aus der Freiheit« befassen wir uns mit diesen biografischen Karrieren junger Männer und gehen der Frage nach, wie sich deren Wege in die Subkultur des Dschihadismus und zur Entscheidung über die Ausreise genau gestaltet haben, aus welchen konkreten biographischen Konstellationen sie sich ergaben und welche familiären, sozialen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Kontexte diese beeinflussten.

Das Forschungsprojekt ist als eine qualitative Studie konzipiert. Es stellt Interviews mit ehemaligen Dschihadisten ins Zentrum der Untersuchung und macht die Erfahrungen und Perspektiven der Akteure zum Ausgangspunkt der Analyse. Dadurch wird eine integrierte Untersuchung ihrer Lebensweisen ermöglicht; den unterschiedlichen Dynamiken und Brüchen sowie den verschiedenen Kontextfaktoren und normativen Bezugspunkten der biografischen Entwicklungen soll Rechnung getragen werden. Um die dabei untersuchten Ebenen zusammenzuhalten, wird der Dschihadismus als eine Subkultur konzeptualisiert und die Frage nach den biografischen Verläufen als eine nach subkulturellen Karrieren. Diese begriffliche Rahmung ermöglicht es, die individuellen biografischen Prozesse mit ihren soziokulturellen Bedingungen zu vermitteln wie auch den kollektiven Zügen dieser Bewegung nachzugehen. Schließlich schafft diese kulturwissenschaftliche Grundierung die Voraussetzung für die Integration einer gewalt- und geschlechtersoziologischen Perspektive in die Untersuchung. Männliche Geschlechtsidentitäten und Gewaltaffinitäten werden so in ihrer normativ-kulturellen Bedeutung für den subkulturellen Zusammenhang wie auch für die Handlungsorientierungen der Akteure untersucht.

Die Forschungsergebnisse werden nicht nur zur wissenschaftlichen Aufarbeitung dschihadistischer Karrieren beitragen, sondern auch zur aktuellen Theoriediskussion um Gewalt, Geschlecht und Subkultur.

Projektleitung: Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty und Felix Rossmeissl (Universität Erlangen-Nürnberg)
Projektlaufzeit: 2018-2021


Gute Sorgearbeit? Transnationale Home Care Arrangements
(im Rahmen der D-A-CH Lead-Agency Vereinbarung)

Das Projekt untersucht die transnationale Arbeitsvermittlung von meist weiblichen migrantischen Pflegekräften durch Home Care Agencies als sogenannte live-ins in Privathaushalte. Auf der Ebene der Global Cities Frankfurt a.M., Wien und Zürich wird die 24h-Pflege in den Zielländern Deutschland, Österreich und der Schweiz erforscht, wo ein Trend zur Formalisierung der Kommodifizierung und Transnationalisierung von Care und Care-Arbeit besteht.
Die 24h-Pflege entwickelt sich zu einem sozialstaatlich akzeptierten Weg, Sorgelücken dort zu füllen, wo der demographische Wandel neue Herausforderungen stellt und vormalige Sorge- und Arbeitsarrangements, beispielsweise in der Familie, zwischen den Generationen und zwischen den Geschlechtern erodieren. Die These ist, dass unter gegebenen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen Anforderungen und Ansprüche an gute Sorge und gute Arbeit latent oder manifest in Widerspruch zueinander stehen und dass die Art und Weise, wie die Beteiligten diese Widersprüche bearbeiten, die Ausgestaltung der transnationalen Home Care Arrangements in den drei Sozialstaaten prägt.

Im Anschluss an die mobile Ethnographie folgt das Projekt den Home Care Agencies bei ihrer Arbeitskräfterekrutierung in die Sendeländer und den migrantischen 24-Stunden-PflegerInnen in die Haushalte. Mit ExpertInneninterviews, episodischen Interviews und teilnehmender Beobachtung wird erforscht, wie transnationale Home Care Agencies, die PflegeempfängerInnen, deren Angehörige, und die betreuenden MigrantInnen mit Ansprüchen an gute Sorge und gute Arbeit umgehen, wie zwischen den Akteursgruppen Care- und Arbeitsanforderungen sowie Arbeitsleistungen ausgehandelt werden, welche Widersprüche und Konflikte auftreten und wie die Care- und Arbeitsarrangements begründet, legitimiert und hinterfragt werden.

Erstmalig werden hier international etablierte Erkenntnisse der Geschlechter-, Migrations- und Careforschung zu Sorge-/Pflegearbeit im Privathaushalt mit Forschungsansätzen aus der Institutional Logics-Perspektive, der französischen pragmatischen Soziologie und der arbeits- und industriesoziologischen Gerechtigkeits- und Legitimitätsforschung verbunden. Ebenfalls erstmalig wird erforscht, welche Aushandlungsprozesse zwischen den beteiligten Akteursgruppen in dem mobilen Feld der transnationalen Home Care Arrangements – zwischen Sende- und Zielländern, zwischen Care Agencies und Privathaushalten – stattfinden.
Ziel ist es, Aufschluss über die transnationalen Home Care Arrangements zu gewinnen, deren Einbettung in die Sozialstaatlichkeit der drei Zielländer zu verstehen, sie auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu vergleichen und zu analysieren, welche Anforderungen und Ansprüche an gute Sorgearbeit hier zum Tragen kommen, verletzt werden bzw. dieses Arrangement insgesamt in Frage stellen.

Projektleitung: Prof. Dr. Helma Lutz
Projektlaufzeit: 2017-2020

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Doing Transitions. Formen der Gestaltung von Übergängen im Lebenslauf
(DFG-Graduiertenkolleg)

Lebensverläufe sind durch eine Vielzahl von Übergängen strukturiert; sie vollziehen sich zwischen einzelnen Lebensphasen und Statuspositionen, zwischen unterschiedlichen Rollen und Selbstbildern. In der Vergangenheit interessierte sich die Forschung insbesondere für die Bedingungen, unter denen Übergänge erfolgreich verlaufen. Aus diesem Grund gerieten Übergänge – etwa der Wechsel von der Schule in den Arbeitsmarkt – häufig als Probleme in den Blick: Sie galten als unsicher und ungewiss, als Momente der Reproduktion sozialer Ungleichheit und als Risiken sozialen Ausschlusses. So unterschiedlich diese Studien sind, ihnen ist gemeinsam, dass Übergänge hier als natürliche Gegebenheiten erscheinen. Auch die damit verbundenen Normalitätsannahmen, die über Erfolg und Scheitern entscheiden, wurden kaum einmal problematisiert. Hier setzt das Graduiertenkolleg Doing Transitions ein und markiert einen Neuansatz. In das Zentrum rückt nun die Frage, worauf die unterschiedlichen Übergänge antworten, wie sie zustande kommen, wie sie gestaltet und dabei zugleich neu hergestellt werden. Zu diesem Zweck werden drei Ebenen der Gestaltung und der Herstellung von Übergängen quer zu den Lebensaltern untersucht. Um sowohl ihrer Eigenlogik wie auch den komplexen Wechselverhältnissen auf die Spur zu kommen, bearbeiten wir die folgenden Forschungsfragen:

  • Diskurse: Wie werden Übergänge verhandelt? Von welchen Akteuren werden sie thematisiert? Welche Anforderungen des Wissens und Könnens an die Individuen werden dabei artikuliert? Wie werden Erfolg und Scheitern und diesbezügliche Risiken markiert?
  • Institutionen: Wie werden Übergänge geregelt? Wie werden Übergänge durch formale und non-formale Markierungen, durch Abläufe, Verfahren und Akteure reguliert? Welche pädagogischen Aspekte der Vorbereitung, Überprüfung und Begleitung sind darin enthalten?
  • Individuen: Wie werden Übergänge bewältigt? Wie entstehen Lebensentwürfe? Auf welche Weise werden Lebensentscheidungen getroffen und Lebensgeschichten bilanziert? Welche Lern- und Bildungsprozesse dokumentieren sich hier?

Projektleitung: Prof. Dr. Birgit Becker u.a.

Projektlaufzeit: Seit 2014


The German Labor Market in a Globalized World: Challenges through Trade, Technology and Demographics, DFG Priority Program 1764

The central purpose of the Priority Programme is to develop a deeper understanding of the challenges facing labour markets in Germany in particular and throughout Europe in a global context. The programme addresses pertinent research issues on the link between trade, technology, and demographic changes as they affect wages and employment. In an international perspective, the programme will analyse empirically the way the German labour market works with particular emphasis on labour market flows, on the role of institutions and policies, on the explanation for the increase in inequality, on demographic changes, and on the links to education and important non-economic motives and outcomes. An understanding of these issues is key for policies relating to skills development of the population at all ages, family issues and gender in the labour market, demography, child development, health, social policies, crime, immigration, as well as the macroeconomic performance of the labour market. The challenges posed by competition and potential immigration combined with demographic developments will not only affect various labour market groups in different ways (with important consequences for inequality), but also force human resource management practices to adapt.

Projektleiter: Prof. Dr. Markus Gangl (u.a.)

Projektlaufzeit: 2014-2020


German Longitudinal Election Study – GLES

Die German Longitudinal Election Study (GLES) beobachtet und analysiert mit Blick auf drei Bundestagswahlen (2009, 2013 und 2017), wie die Wählerschaft auf neue komplexe Konstellationen elektoraler Politik reagiert.

In diesem bislang umfassendsten Projekt der deutschen Wahlforschung werden als Datenbasis Querschnitts- und sowohl kurz- als auch langfristige Längsschnittumfragen eingesetzt und mit einem Kandidatensurvey, einer Analyse von TV-Duellen sowie Inhaltsanalysen der Medienberichterstattung kombiniert.

Die Studie wird von Prof. Dr. Hans Rattinger (Universität Mannheim, bis 2014), Prof. Sigrid Roßteutscher PhD, Prof. Dr. Rüdiger Schmitt-Beck (Universität Mannheim), Prof. Dr. Harald Schoen (Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, seit 2015), Prof. Dr. Bernhard Weßels (Wissenschaftszentrum Berlin) und Prof. Dr. Christof Wolf (GESIS, seit 2012) geleitet und in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung durchgeführt

Projektleitung: Prof. Sigrid Roßteutscher PhD
Projektlaufzeit: 2009-2021

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