Dr. Annette Hilscher

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Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität

hilscher@em.uni-frankfurt.de

Studium der Soziologie, Politikwissenschaften und Romanistik in Berlin, Paris, Freiburg und Lyon von 2006 bis 2012. Von 2013 bis 2022 Promotion in deutsch-französischer Cotutelle am Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt und an der Sorbonne Université, Paris. 2015 Forschungsaufenthalt am Centre canadien des études allemandes et européenes (CCEAE) an der Université de Montréal, Canada.

Promotionsprojekt
Alltägliche Bewältigungs- und Widerstandspraktiken Schwarzer Menschen in Deutschland, Frankreich und Kanada. Eine anerkennungstheoretische Studie.

Das Forschungsprojekt untersucht die Fragestellung, inwiefern Schwarze Menschen soziale Missachtung erfahren und welche Bewältigungs- und Widerstandspraktiken sie dabei entwickeln. Die Studie wurde in Deutschland, Frankreich und Kanada durchgeführt, drei Rechtsstaaten im Globalen Norden. Die der Dissertation zugrundeliegende Vorannahme bestand darin, dass sich Missachtungserfahrungen Schwarzer Menschen von Land zu Land unterscheiden sowie in Abhängigkeit von den jeweiligen politischen Normen zu verstehen sind, die ihren Ausdruck unter anderem in der aktuellen Gesetzgebung zu Antidiskriminierung und Gleichbehandlung finden. Die Studie arbeitet mit der Theorie der Anerkennung nach Axel Honneth. Diskriminierungserfahrungen werden im Anschluss an diese Theorie als Erfahrungen sozialer Missachtung verstanden. Diesem Verständnis nach ist die Missachtung nicht möglich, ohne den Menschen zunächst wahrzunehmen – jedoch nicht adäquat gemäß den durch gelungene Sozialisation erworbenen normierten Regeln sozialer Interaktion, sondern als "Wahrnehmungsdeformation". Missachtung wird folglich als negative Form der Anerkennung verstanden.

Den Kern der Arbeit bildet eine eigene empirische Studie, die auf einer Reihe ausführlicher Gruppendiskussionen und biographisch-narrativer Interviews mit Schwarzen Menschen basiert. Im Mittelpunkt der Erhebung stand jeweils die Frage nach den Alltagserfahrungen der Teilnehmenden. In Deutschland und Kanada wurden je zwei Gruppendiskussionen geführt: jeweils eine im urbanen und eine im periurbanen Raum. In Frankreich wurden vier biographisch-narrative Interviews realisiert: davon zwei im urbanen und zwei im periurbanen Raum. Die Durchführung und Auswertung der Gruppendiskussionen und Interviews erfolgt gemäß der Dokumentarischen Methode. Ein erster Analyseschritt ergibt vier diskursive Praktiken bei der Verhandlung von Missachtungserfahrungen, die im Anschluss an eine komparative Analyse in eine praxeologische Typenbildung (Sinngenese) überführt werden, wobei sich zwei Typen der Vergemeinschaftung und der Individualisierung herausarbeiten lassen. Aufbauend auf der Sinngenese gibt die Studie aus einer intersektionalen Perspektive anhand der Dimensionen Sozialraum, Gender und Körper Ausblicke auf eine soziogenetische Typenbildung.

Diese Ergebnisse werden im Rahmen eines Ländervergleichs mit dem Vergleich der Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungspolitik in den drei Ländern kontrastiert und diskutiert. Abschließend folgt die Rückführung der empirischen Ergebnisse in den theoretischen Rahmen. Diese Theoriebildung fokussiert auf die Erweiterung von Honneths Theorie der Anerkennung und Missachtung in Bezug auf 'Race' und die Vergemeinschaftung sowie auf die Entwicklung einer eigenständigen Begrifflichkeit von Bewältigung und Widerstand als alltägliche Handlungspraktiken.

Betreut wurde das Projekt in deutsch-französischer Cotutelle von Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty (Goethe-Universität Frankfurt) und Prof. Dr. Gérard Raulet (Sorbonne Université Paris).