Fachbereichstag 2017

Am Fachbereichstag der Gesellschaftswissenschaften gaben erfolgreich im Berufsleben stehende Ehemalige den Studierenden Tipps rund um den Berufseinstieg bei den „Alumni-Gesprächen“. Ehrung der Absolvent_innen und ein Festvortrag als runder Abschluss.


ALUMNI-GESPRÄCHE  ABSOLVENT_INNENFEIER


Berufsperspektiven für Sozialwissenschaftler_innen

Wer sich für ein Studium der Sozialwissenschaften entscheidet, kennt die Unsicherheit bezüglich der späteren Berufswahl, die solch ein Studium mit sich bringt. Im Rahmen von Gruppengesprächen am Fachbereichstag der Gesellschaftswissenschaften konnten sich Studierende von erfolgreichen Alumni und Alumnae inspirieren lassen. Wie Dekanin Sigrid Roßteutscher gleich zur Eröffnung der Gespräche zum Ausdruck brachte, wolle man die Pluralität der Möglichkeiten für die Studierenden sichtbar machen. Die Alumni-Referentin Katharina Lemke machte deutlich, dass diese Pluralität auch überfordernd wirken kann und diesem Gefühl solle mit den „Alumni-Gesprächen“ entgegengewirkt werden; man wolle mit der Veranstaltung zur beruflichen Orientierung beitragen. Dieses Ziel hat sich auch der Verein „Alumni und Fördernde der Frankfurter Gesellschaftswissenschaften“ gesetzt: Der Übergang zwischen Studium und Beruf soll durch das Alumni-Netzwerk erleichtert werden.

Die Karriereberaterin Dagmar Kuchenbecker vom Career Service der Universität hob die Wichtigkeit der beruflichen Profilbildung während des Studiums hervor. Sie ermutigte die Studierenden zur Selbstreflexion der eigenen Potenziale, die zur Entdeckung zuvor unbekannter Nischen führen könne. Dabei sei es ratsam, nicht nur auf aktuelle Stellenausschreibungen zu schielen, sondern den Blick auch auf die technologischen Veränderungsprozesse der Digitalisierung zu richten. Hier eröffnen sich gerade für Sozialwissenschaftler_innen neue Berufsmöglichkeiten. Denn sie verstehen es besonders gut, Daten im Kontext zu analysieren.

Die geladenen Alumni aus den Berufsfeldern Politik, Verlagswesen, internationale Entwicklungszusammenarbeit, Unternehmensberatung sowie Coaching gaben den Studierenden nicht nur Auskunft über ihren Einstieg in den Beruf, sondern auch über die eigenen Unsicherheiten und die Umwege auf dem Weg dorthin. Ein nahtloser Übergang zwischen Studium und Beruf war hierbei eher die Ausnahme.

So auch bei Marcel Hamer von Bündnis 90/Die Grünen. Neben seiner Ausbildung als Kinder- und Jugendtherapeut studierte er parallel den Diplomstudiengang Politikwissenschaft. Bereits während seiner Studienzeit arbeitete er als Geschäftsführer der Partei in Rüsselheim und engagierte sich ebenfalls ehrenamtlich. Nach dem Studium arbeite er kurzzeitig in einer Medienagentur, bis ihn sein Weg wieder zu Bündnis 90/Die Grünen zurück führte, wo er seitdem im hessischen Landesverband als Vorstands- und Forschungsreferent tätig ist. Hamer gab den neugierigen Studierenden zu bedenken, dass der direkte Weg selten zum Ziel führe. Er ermutigte sie zum ehrenamtlichen Engagement, das auch in der Privatwirtschaft gern gesehen werde. Generell empfahl er den Studierenden ein gutes Durchhaltevermögen und dass sie sich nicht von Rückschlägen irritieren lassen sollten.

Auch bei Elina Stock von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich das Berufsziel erst später und über Umwege ergeben. Während ihrer Studienzeit war sie hochschulpolitisch aktiv, diese Arbeit führte sie auch bei ihrer anschließenden Beschäftigung als Studienberaterin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität fort. Ihrem Wunsch nach einer Promotion folgte Ernüchterung angesichts der prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Über ihr gewerkschaftliches Engagement gegen die Befristungen im Wissenschaftsbetrieb kam sie zur GEW, wo sie seither als Referentin im Bundesvorstand tätig ist. Sie empfahl den Studierenden das ehrenamtliche Engagement auch, um die eigenen Interessen frühzeitig auszuprobieren.

Eine im wahrsten Sinne unsichtbare Nische hat die Ghostwriterin Anne Jacoby für sich entdeckt. Die studierte Medienwissenschaftlerin und Soziologin schreibt Sachbücher für Publikumsverlage in den Bereichen Wirtschaft und Gesundheitswesen, die andere „Autor_innen“ unter deren Namen publizieren. Der Beruf war ihr während des Studiums gänzlich unbekannt. Sie stieß darauf erst nach einer Tätigkeit als Werbefotografin, als sie den Wunsch nach einer beruflichen Neuorientierung hegte. Zur Ghostwriterin bildete sie sich am Mediacampus Frankfurt-Seckbach fort, worüber sich auch Kontakte zu neuen Auftraggeber_innen auftaten. Persönliche Kontakte ließen sich ebenfalls über die Frankfurter Buchmesse sowie den Bundesverband junger Autor_innen knüpfen.

Das für Quereinsteiger_innen besonders interessante Feld der Weiterbildung stellte der freiberufliche Coach Carsten Hennig vor. Seine Branche bezeichnete er als einen „wilden Westen“, da sie keiner Regulierung unterliegt. Dabei findet sich hier ein großer Markt, den allerdings auch ein hoher Konkurrenzdruck auszeichnet. Hennig stellte den entscheidenden Wert von Netzwerken heraus, über die 95% seiner Kundenkontakte zustande kommen. Für die Tätigkeit als Coach empfahl er den Studierenden eine mehrjährige Zusatzausbildung. Da es hierfür eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter mit verschiedenen Konzepten gibt, sollte die Wahl der Ausbildungsinstitution wohl überlegt sein. Hennig ermutigte die Studierenden, so viel wie möglich auszuprobieren und gab lakonisch zu bedenken, dass sich die berufliche Praxis ohnehin anders als gedacht erweisen werde.

Auf einer ähnlichen Veranstaltung wie den „Alumni-Gesprächen“ zur Berufsorientierung hat Alexander Sonntag als Student seinen heutigen Arbeitgeber kennengelernt. Seitdem arbeitet er als Referent beim RKW Kompetenzzentrum. Dort entwickelt und testet er Managementmethoden für kleinere und mittlere Unternehmen. Sonntag erinnerte die Studierenden an deren wertvolle Fähigkeit, sich in schwierige Themenstellungen einzuarbeiten. Dies sollte man als Sozialwissenschaftler_in auch herausstellen und gut verkaufen können. Darüber hinaus empfahl er ihnen bereits im Studium Schwerpunkte zu setzen und Kontakte aufzubauen, beispielsweise über Praktika oder über die Mitarbeit in Forschungsprojekten. Diese sollten jedoch dem eigenen Schwerpunkt entsprechend ausgewählt werden.

Die in Frankfurt ansässige Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde durch Philipp Niehenke repräsentiert. Der diplomierte Politologe arbeitet dort als Portfoliomanager für den Bereich Afrika. Bereits während seines Studiums war er als studentischer Mitarbeiter bei der GIZ angestellt. Der Übergang vom Studium in seine jetzige Tätigkeit gestaltete sich in seinem Fall bruchlos. Als eine weitere Möglichkeit zum Einstieg bei der GIZ stellte Niehenke das Trainee-Programm für Absolvent_innen vor, welches jedoch hohe Zugangshürden aufweist. Den Studierenden riet er zu frühzeitiger Profilbildung über Praktika und Engagement, aber ebenfalls zur Gelassenheit.

Keine/r der Alumni und Alumnae vermittelte ein Gefühl der beruflichen Hoffnungslosigkeit, wie es Sozialwissenschaftler_innen manchmal nachgesagt wird. Vielmehr machten sie den anwesenden Studierenden Mut und zeigten eine Vielzahl an Möglichkeiten zum erfolgreichen Berufseinstieg auf. Einigkeit bestand auch darin, sich frühzeitig und eigeninitiativ ein persönliches Profil neben dem Studium zu erarbeiten. Bei den Studierenden stießen die vielfältigen Einblicke in das Berufsleben auf außerordentliches Interesse.

Absolvent_innenfeier erfreut sich zunehmender Beliebtheit

Im Anschluss fand die diesjährige Absolvent_innenfeier des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften statt. In einem bis auf den letzten Platz gefüllten Renate von Metzler-Saal freute sich die Vizepräsidentin Prof. Dr. Tanja Brühl alle Gäste zum dritten Fachbereichstag herzlich zu begrüßen. Melanie Dietz als Absolventin des Masterstudiengangs Soziologie richtete ihr Wort an ihre Kommiliton_innen und erinnerte an den Studienalltag mit all seinen Höhen und Tiefen am Fachbereich 03.

Prof. Dr. Claudia Peter leitete als Vorsitzende der Vergabekommission die Josef Esser-Preisverleihung ein. Für ihre herausragenden Abschlussarbeiten wurden Sofia Ganter, Moritz Boddenberg, Johannes Klassen und Nicole Wisniewski (letztere konnte leider nicht anwesend sein) mit dem Josef Esser-Preis ausgezeichnet. Die Preisträger_innen und ihre Betreuer_innen Prof. Dr. Tanja Brühl, Dr. Patrick Sachweh und Prof. Dr. Jens Steffek gaben gemeinsam in einem kurzen Interview einen Einblick in die spannenden Arbeiten und die Gäste der Festveranstaltung konnten so beispielhaft erfahren, mit welchen Themen die Absolvent_innen der Gesellschaftswissenschaften sich befassen.

Bevor die Absolvent_innen ihre Urkunden persönlich von Dekanin Sigrid Roßteutscher und Studiendekan Tim Engartner entgegennahmen, rundete Prof. Dr. Tilman Allert die Festveranstaltung mit seinem konzisen Vortrag mit dem - an Max Weber angelehnten - Titel „Sturheit als Beruf“ ab. Allert ging den praktischen Aufgaben der Sozialwissenschaft nach. In Hinblick auf die der Disziplin gegenüber häufig eingeforderte „praktische Relevanz“ erinnerte Allert zunächst daran, dass es sich um eine Wissenschaft ohne Klientel handelt. Daher sei der Adressat der wissenschaftlichen Arbeit nicht ohne weiteres bestimmbar. Dieser Umstand spiegelt sich auch im Studium wider. Denn viele Studierende kommen mit Primärerfahrungen von gesellschaftlichen Missständen an die Universität und erhoffen sich eine praktische Veränderung der Gesellschaft mithilfe der Sozialwissenschaften. Diese Hoffnung wird nicht selten enttäuscht, da auch die elaborierteste wissenschaftliche Arbeit häufig keinen Widerhall in der außerwissenschaftlichen Praxis findet. Deshalb könne man Allert zufolge das Studium auch als Trauerarbeit bezeichnen. Dennoch verwehrt er sich ausdrücklich dagegen, der Enttäuschung aus Selbstüberschätzung eine Positionierung im Zynismus folgen zu lassen. Die Sozialwissenschaften müssten stattdessen ihre praktische Relevanz anders verstehen. Aber keinesfalls derart, wie es die unternehmerische Hochschule ihnen suggerieren möchte. Sie müssten vielmehr die vielfältigen gesellschaftlichen Foren der Artikulation nutzen, um darin die begrifflich gestützte Argumentation zur Geltung zu bringen. Dabei sollten die Sozialwissenschaftler_innen „Sturheit“ beweisen, um die Brücke von theoretischer Reflexion zur moralischen Notwendigkeit praktischer Erfordernisse zu schlagen. Gegen vereinfachende Erklärungen und gegen die Argumentation des Stammtisches sollten sie die Komplexität der Tatsachen ins Feld führen. Als sture „Inkonsistenz-Melder“ entdecken sie Stolpersteine in der Argumentation der Anderen, stellen naive Fragen und melden Widersprüche an. Die Sozialwissenschaften seien daher eine professionalisierte Form der Zwischenfrage. Dies ist für Allert mehr als Nonkonformität und auch mehr als der Ruf der Kassandra, sondern birgt das praktische Potenzial zur Devianz.

Nach der Festveranstaltung gab es einen Empfang für alle Gäste und Teilnehmer_innen der Festveranstaltung. Für das leibliche Wohl war gesorgt und viele der Teilnehmer_innen blieben in ausgelassener Runde bis in die späten Abendstunden.

Wir vom Studiendekanat des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften und vom Verein „Alumni und Fördernde der Frankfurter Gesellschaftswissenschaften“ freuen uns auf Austausch und Anregungen zum Fachbereichstag 2017. Gerne können Sie sich dazu bei unserem Studienfachberater Alexander Simon melden (Mail: a.simon@soz.uni-frankfurt.de, Telefon: 069 798 36564).


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