Veröffentlichungungen im UniReport | Nr. 6 | 17. Dezember 2020

Beiträge von Mitgliedern des Instituts

Veröffentlicht am: Freitag, 18. Dezember 2020, 12:20 Uhr (18-01)

Im UniReport | Nr. 6 | 17. Dezember 2020 lesen Sie:

»Altersunterschiede und Generationendifferenz sind auf neue Weise bedeutsam«

Die Sozialpsychologin Vera King zur Verarbeitung der Corona-Krise

UniReport: Frau Professorin King, eine sogenannte zweite Corona-Welle, von der man nicht weiß, wie lange sie andauern wird, hat nun auch Deutschland erfasst. Sind damit auch sozialpsychologische Aussagen über die mittel und langfristigen Auswirkungen der Pandemie schwieriger geworden? Oder ist dennoch das »typische« Muster einer Pandemie in der Gesellschaft erkennbar?

Vera King: Aussagen über langfristige Entwicklungen sind natürlich grundsätzlich schwierig. Was wir kennen: Auch in früheren Pandemien gab es schon mehrere Wellen und seit Beginn der Krise zeichnen sich teils geläufige Muster ab. Zugleich spiegeln die Umgangsweisen mit solchen Ausnahmesituationen zwangsläufig ja immer auch etwas von der jeweiligen historischen, gesellschaftlichen Verfasstheit. Insofern sehen wir Muster, die von früheren Pandemien
bekannt sind, aber eben auch charakteristische Ausdrucksformen der Gegenwartskultur.

Welche typischen Muster gibt es? 

Das Spektrum der Verarbeitungsformen reicht von (überwiegender) solidarischer Umsicht bis hin zu Verleugnungen oder destruktiven Entsolidarisierungen, die teils zunehmen, je brenzliger es wird. Eine Variante liegt auch in der Konstruktion von Schuldigen; in der Geschichte immer wieder beobachtbar ist etwa, wie andere Nationen als Verursacher deklariert wurden. Typisch ist, wenn Ohnmacht angesichts eines unsichtbaren gefährlichen Virus, der zudem die Abhängigkeit von anderen verdeutlicht, in Aggression transformiert wird: etwa auf vermeintlich böse Mächte, „verantwortungslose“ Jugend oder „egozentrische“ Ältere. Heftige Anklagen richten sich oft an diejenigen, die das Verlorene wiederherstellen sollen, an Fachleute und politisch Verantwortliche. Die Erfahrung, dass unter Pandemiebedingungen niemand genau ermessen oder gar garantieren kann, wie es weitergeht, ist offenkundig schwer zu ertragen. Sie begünstigt das Erleben, es handele sich bei Steuerungsversuchen mit all ihren zwangsläufigen Unwägbarkeiten um tyrannische Willkür oder Verschwörungen. Angst und Zorn werden auch politisch funktionalisiert, wie wir beobachten können.

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»Durch Corona brechen Bühnen weg«  

Der Soziologe Tilman Allert zum sozialen Verhalten in Corona-Zeiten

UniReport: Herr Professor Allert, die sogenannte Mund-Nasen-Maske zu tragen gehört mittlerweile mehr oder minder zum Alltag (und das wird vorerst wohl auch so bleiben). Warum sind Beobachtungen zum Umgang damit für den
Soziologen so fruchtbar?

Tilman Allert: Für die Soziologie ist die Maske in verschiedener Hinsicht von Bedeutung. Die Maske ist die wichtigste Metapher für ein Verständnis des menschlichen Handelns als ein Spiel, das seine Dynamik daraus bezieht, dass mit einem Gegenüber wechselseitig um das Verhältnis von Maske und Authentizität gerungen wird, zu Last und Vergnügen der Beteiligten. Mit der Maske ist, wie der Soziologe Georg Simmel formulierte, die Geheimnishaftigkeit
des sozialen Lebens angesprochen. Zentral für diesen Blick auf den Austausch ist die Frontalität des Gesichts mit dem Mund als herausragenden Medium der Mitteilung und Selbstmitteilung, ergänzt um das Ent- und Verschlüsselungspotenzial von Mimik und Gestik. Von hier aus lässt sich die Starre, von der Maske diktiert, verstehen. Das ist als solches natürlich keine große Einschränkung: Schließlich ist das Sprechen nicht behindert. Mancher Satz muss wiederholt werden, aber mehr nicht. Allerdings schwindet die Elastizität der Kommunikation, die Abstandsregel lässt das Gegenüber in Verdacht geraten. Begegnungen unter der Prämisse des Verdachts kennen wir genau genommen nur bei der Misanthropie. Und auszuhalten ist eine diktierte Zurückhaltung nur für einen absehbaren Zeitraum.

Sie haben mal geschrieben, dass die Maske ein »magisches Mittel der Situationsbewältigung« darstelle. Also ist das Tragen nicht nur rational begründet?

Vieles von dem, was Menschen tun, ist magisch überdeterminiert, ein harmloses Beispiel wäre der Talisman oder der zu jedem Heimspiel ins Stadion geschleppte Adler der Eintracht Frankfurt – das ist längst eine Gewohnheit
geworden, am magischen Versprechen ändert das nichts. Magie wird bemüht, in modernen Gesellschaften eher unbewusst als strategisch, gegen die Übermacht des Wahrscheinlichen.

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Grenzen der Meinungsfreiheit, Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit?

Ein Streitgespräch zur Studie »Ist die Rede- und Meinungsfreiheit an der Universität in Gefahr?« mit Richard Traunmüller und Thomas Scheffer

Eine Studie, die der Politikwissenschaftler Prof. Richard Traunmüller (Universität Mannheim) zusammen mit seinem Kollegen Dr. Matthias Revers (University of Leeds) kürzlich veröffentlicht hat, hat bundesweit für Aufsehen und auch für zahlreiche Gegenstimmen gesorgt. Im Fokus der Studie stehen Soziologie-Studierende der Goethe-Universität, weshalb die Befunde zur Rede und Meinungsfreiheit in Frankfurt besonders die Gemüter bewegt haben. Der UniReport konnte Prof. Traunmüller, der einige Jahre an der Goethe-Universität geforscht und gelehrt hat, und seinen früheren Kollegen, den Soziologen Prof. Thomas Scheffer, zu einem Streitgespräch zusammenbringen.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Vorabveröffentlichung des UniReports, die bereits am 02. Dezember in GOETHE-UNI online erschienen ist: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/streitgespraech-grenzen-der-meinungsfreiheit-gefaehrdung-der-wissenschaftsfreiheit/ 


Buchvorstellungen 

Gerhard Preyer und Erwin Rogler

Philosophie des Mentalen. Supervenienz, reduktiver, nicht-reduktiver Physikalismus und mentale Kausalität

Der anomale Monismus war für den philosophischen Mainstream der physikalistisch (materialistisch) gesinnten Philosophen eine besondere Herausforderung. Davidsons Philosophie des
Mentalen ist zwar ein Monismus, er passt aber nicht so ohne Weiteres in das physikalistische Weltbild. Seit den 1970er Jahren löste er und der Funktionalismus eine Debatte über das Problem der mentalen Kausalität und des phänomenalen Bewusstseins aus. Dieses Problem ist philosophisch lehrreich, da es sich erst unter der philosophischen und wissenschaftstheoretischen Dominanz des Physikalismus profilierte. Um eine Sensibilität für die Problemsituation der Philosophie des Mentalen (Geistes) und die damit verbundenen sprach- und erkenntnistheoretischen Fragestellungen seit den 1950er Jahren durch Kontrastierung zu befördern, ist es zu empfehlen, dem Problembezug des reduktiven und des nicht-reduktiven Physikalismus nachzugehen.