Zu den Aufgaben und zur Tätigkeit der Stiftung

Josef popper

von Richard Hauser

Die Josef-Popper-Nährpflicht-Stiftung, Frankfurt a. M., wurde am 26. No­vember 1986 als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts von Herrn Diplom-Ingenieur August Schorsch, Hanau, gegründet und mit einer Stiftungsur­kunde vom 9. Dezember 1986 vom Regierungs-präsidenten in Darmstadt genehmigt. Der Stifter hat die Stiftung mit einem Kapital von rund 370.000,‑ DM ausgestattet; sie ist als gemeinnützig anerkannt.
Die Josef Popper-Nährpflicht-Stiftung, deren Bezeichnung auf eine Grund­idee Poppers, der Einführung einer "allgemeinen Nährpflicht" zurück­geht, wurde am Fachbereich Wirtschaftswissen-schaften der Johann Wolf­gang Goethe-Universität angesiedelt. Den Vorsitz im Vorstand hatte zunächst der Stif­ter, Dipl. Ing. August Schorsch, übernommen; nach dessen Tod wurde der zuständige Fachvertreter, Prof. Dr. Richard Hauser, Vorsitzender des Vorstandes. Weitere Vorstandsmitglieder sind Dr. Reinald Ullmann als satzungsmäßiger Nachfolger des Stifters, Prof. Dr. Roland Eisen als weiterer fachnaher Hochschullehrer, der jeweilige Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaf­ten sowie der Kanzler der Johann Wolfgang Goethe Universität, Dr. Wolf­gang Busch.

Der Zweck der Stiftung wird in der Stiftungsverfassung in § 2 Abs. 2 folgendermaßen umschrieben:
"Zweck der Stiftung ist es, die Idee, die der Wiener Ingenieur Josef Popper, geboren am 21. 02. 1838, mit seinem Sozialplan zur Lösung der sozialen Frage in einem umfassenden Werk aufstellte, zu erforschen, zu ergänzen und die gewonnenen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu ver­öffentlichen. Die Verwirklichung des Stiftungszweckes soll, soweit die Mittel ausreichen, geschehen durch:

  • die Förderung von Forschungsprojekten, die Prämierung von For­schungsergebnissen und den Ankauf und die Verbreitung von Publika­tionen, die sich auf der Folie der Popperschen Idee mit Fragen der Siche­rung eines angemessenen Lebensstandards in der Gesellschaft wissen­schaftlich auseinandersetzen,
  • den Auf- und Ausbau eines Josef-Popper-Archivs durch den Ankauf un­gedruckter und gedruckter Quellen von und über Popper,
  • die Förderung von Übersetzungen Popperscher Schriften in Fremdspra­chen,
  • die Bekanntmachung der Popperschen Theorien in preiswerten Stif­tungspublikationen."

Damit sind die beiden Richtungen, in denen die Stiftung tätig werden soll, umrissen: Einerseits die Sammlung und dogmenhistorische bzw. biogra­phische Auswertung der Schriften Poppers und andererseits die Förderung von Forschungen, die sich auf der Basis von Poppers normativen Postula­ten über eine allgemeine Grundsicherung ‑ die breite Anerkennung in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und in anderen Deklarationen gefunden haben ‑ mit Lösungsvorschlägen wissen­schaftlich auseinandersetzen. Dabei können sowohl die Probleme einer Grundsicherung in der Bundesrepublik und anderen hochentwickelten In­dustriestaaten mit einer "gemischten Wirtschaftsordnung" als auch die noch gravierenderen Fragen einerExistenzminimumsicherung in den Ent­wicklungsländern der Dritten Welt Unter­suchungs­gegenstand sein.
Die Stiftung hat mit ihrer Tätigkeit im Jahr 1987 begonnen und in den ersten zehn Jahren eine Reihe von Aktivitäten entwickelt, die nachstehend kurz skizziert werden:

(1) Eine vom Stifter mit einer Einführung versehene Auswahl der wichtigsten Abschnitte aus Poppers Allgemeiner Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage wurde erneut publiziert und auf Kosten der Stiftung ausgewählten Bibliotheken zur Verfügung gestellt. Weitere Exemplare werden auf Anforderung - solange der Vorrat reicht - abgegeben.

(2) Ein aus zwei Abteilungen bestehendes Josef-Popper-Archiv wurde eingerichtet:
In der ersten Abteilung wurde, aufbauend auf ei­nem vom Stifter überlassenen Bestand an Werken Poppers, eine inzwischen fast vollständige Sammlung seiner Schriften sowie der relevanten Sekundärliteratur aufgebaut und für Forschungsarbeiten über Popper und über die Rezeption  seiner Ideen bereitgestellt. In Zusammenarbeit mit der Hebräischen Universität in Jerusalem, an die der  literarische Nachlaß Poppers in den Dreißiger Jahren übergeben wurde, sind die
vorhandenen unveröffentlich­ten Schriften und Briefe katalogisiert worden. Obwohl die Originale weiterhin in Jerusalem verwahrt werden, kann der vollständige Nachlaß in Form von Mikrofiche-Kopien im Josef-Popper-Archiv eingesehen und für Forschungen verwendet werden.
In der zweiten Abteilung, die als „Josef-Popper-Archiv für Armutsforschung und Mindest­sicherung“ bezeichnet wird, werden systematisch Monographien und Aufsätze (in Fotokopie) im Feld der Armutsforschung und zu den Plänen, Regelungen und Problemen einer Mindestsicherung gesammelt und bibliographisch erfaßt. Diese ständig wachsende Bibliographie ist über das Internet einsehbar und auch jährlich in gedruckter Form verfügbar. Diese zweite Abteilung enthält auch je ein Exemplar aller für die Verleihung des Josef-Popper-Preises (s.u.) eingereichten Arbeiten.

(3) Über diese permanenten Aktivitäten hinaus förderte die Stiftung kleinere Studien und gewährte Zuschüsse zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus ihrem Aufgabenbereich.

(4) Anläßlich des 150. Geburtstags von Josef Popper‑Lynkeus hat sich die Stif­tung im Jahre 1988 entschlossen, zwei weitere Aktivitäten in ihr Programm aufzunehmen:

  • die Einrichtung eines Josef-Popper-Forschungspreises, der mit DM 5.000,‑ dotiert ist und alle 2 – 3 Jahre herausragende Diplomar­beiten, Dissertationen oder Habili­tations­schriften, die sich mit dem Werk Poppers, mit Ursachen und Folgen von Armut oder mit Problemen einer allgemeinen Grundsiche­rung wissenschaftlich fundiert auseinandersetzen, vergeben werden soll; der Preis kann bei Vorliegen mehrerer herausragender Arbeiten aufgestockt werden.
  • die Einrichtung einer Josef-Popper-Gastvorlesung am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe‑Universität, die dem Problemkreis einer allgemeinen Grundsicherung gewidmet sein und der wissenschaftlichen Diskussion und der Anregung weiterer For­schungen durch Studenten und Doktoranden dienen soll.

Mit diesen Aktivitäten trug die Stiftung in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens dazu bei, einerseits das Wissen über das Wirken und die weit vorausschauenden Ideen des gro­ßen Humanisten Josef Popper-Lynkeus zu bewahren und andererseits die wissenschaftlichen Grundlagen für seinwichtigstes Anliegen - eine Gesellschaft frei von Armut und Not - zu verbessern. Dem Stifter August Schorsch, der sich mit seiner großherzigen Stiftung in die lange Reihe engagierter Vertreter einer humaneren Gesellschaft eingereiht hat, sei an dieser Stelle herzlich ge­dankt.