​Projekte | Abschlussjahr 2020 und 2021

Global Justice

Theory Practice Rhetoric (TPR)

Das Thema der globalen Gerechtigkeit hat sich spätestens seit der Jahrtausendwende zu einem der größten und wichtigsten in der Politischen Theorie entwickelt, und dies spiegelt auch die praktische Bedeutung dieses Themas wider. Das Global Justice Network (GJN, www.theglobaljusticenetwork.org), ein internationales Netzwerk politischer TheoretikerInnen und PhilosophInnen, möchte die wissenschaftliche Debatte um globale Gerechtigkeit in spezifischer Weise nachhaltig prägen. Hierfür gibt es seit 2008 die internationale, begutachtete Zeitschrift Global Justice: Theory Practice Rhetoric (TPR) im Open Access-Format heraus. Diese Fachzeitschrift veröffentlicht empirisch informierte und praxisrelevante normative Forschungsergebnisse, die uneingeschränkt für die gesamte wissenschaftliche Fachcommunity und interessierte Öffentlichkeit zugänglich sind. Um den in dieser Form publizierten Forschungsergebnissen den größtmöglichen Impact zu verleihen, verfolgt das GJN das Ziel, TPR bestmöglich im Bereich der Internationalen Politischen Theorie zu positionieren.

Projektleitung: Prof. Dr. Rainer Forst
Laufzeit: 2017 - 2021

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German Longitudinal Election Study – GLES
Die German Longitudinal Election Study (GLES) beobachtet und analysiert mit Blick auf drei Bundestagswahlen (2009, 2013 und 2017), wie die Wählerschaft auf neue komplexe Konstellationen elektoraler Politik reagiert.

In diesem bislang umfassendsten Projekt der deutschen Wahlforschung werden als Datenbasis Querschnitts- und sowohl kurz- als auch langfristige Längsschnittumfragen eingesetzt und mit einem Kandidatensurvey, einer Analyse von TV-Duellen sowie Inhaltsanalysen der Medienberichterstattung kombiniert.

Die Studie wird von Prof. Dr. Hans Rattinger (Universität Mannheim, bis 2014), Prof. Sigrid Roßteutscher, PhD, Prof. Dr. Rüdiger Schmitt-Beck (Universität Mannheim), Prof. Dr. Harald Schoen (Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, seit 2015), Prof. Dr. Bernhard Weßels (Wissenschaftszentrum Berlin) und Prof. Dr. Christof Wolf (GESIS, seit 2012) geleitet und in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung durchgeführt

Projektleitung: Prof. Sigrid Roßteutscher, PhD
Projektlaufzeit: 2009 - 2021


OrgIntCee
Das fehlende Bindeglied: Organisierte Interessen in post-kommunistischen Politikgestaltungsprozessen

In den letzten Jahren leistete die Politikwissenschaft einen entscheidenden Beitrag zur komparativen Analyse organisierter Interessen im politischen Prozess. Bisher wurden die postkommunistischen Länder jedoch weitgehend vernachlässigt. Stattdessen richtete die politikwissenschaftliche Osteuropa-Forschung den Blick hauptsächlich auf die Entwicklung formaler politischer Institutionen sowie auf Parteiensysteme und die Europäisierung von öffentlichen Verwaltungen in der Region. Mit diesem Forschungsvorhaben möchten wir einen Beitrag zur Überwindung dieses Forschungsdesiderates leisten, indem wir die Strukturen, die demokratisch-partizipative Einbindung sowie den Einfluss von organisierten Interessen auf den Politikgestaltungsprozess in vier postkommunistischen Staaten (Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn) untersuchen.

Projektleitung: Prof. Dr. Michael Dobbins
Laufzeit: Seit 2017


Gute Sorgearbeit? Transnationale Home Care Arrangements (im Rahmen der D-A-CH Lead-Agency Vereinbarung)

Das Projekt untersucht die transnationale Arbeitsvermittlung von meist weiblichen migrantischen Pflegekräften durch Home Care Agencies als sogenannte live-ins in Privathaushalte. Auf der Ebene der Global Cities Frankfurt a.M., Wien und Zürich wird die 24h-Pflege in den Zielländern Deutschland, Österreich und der Schweiz erforscht, wo ein Trend zur Formalisierung der Kommodifizierung und Transnationalisierung von Care und Care-Arbeit besteht.
Die 24h-Pflege entwickelt sich zu einem sozialstaatlich akzeptierten Weg, Sorgelücken dort zu füllen, wo der demographische Wandel neue Herausforderungen stellt und vormalige Sorge- und Arbeitsarrangements, beispielsweise in der Familie, zwischen den Generationen und zwischen den Geschlechtern erodieren. Die These ist, dass unter gegebenen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen Anforderungen und Ansprüche an gute Sorge und gute Arbeit latent oder manifest in Widerspruch zueinander stehen und dass die Art und Weise, wie die Beteiligten diese Widersprüche bearbeiten, die Ausgestaltung der transnationalen Home Care Arrangements in den drei Sozialstaaten prägt.

Im Anschluss an die mobile Ethnographie folgt das Projekt den Home Care Agencies bei ihrer Arbeitskräfterekrutierung in die Sendeländer und den migrantischen 24-Stunden-PflegerInnen in die Haushalte. Mit ExpertInneninterviews, episodischen Interviews und teilnehmender Beobachtung wird erforscht, wie transnationale Home Care Agencies, die PflegeempfängerInnen, deren Angehörige, und die betreuenden MigrantInnen mit Ansprüchen an gute Sorge und gute Arbeit umgehen, wie zwischen den Akteursgruppen Care- und Arbeitsanforderungen sowie Arbeitsleistungen ausgehandelt werden, welche Widersprüche und Konflikte auftreten und wie die Care- und Arbeitsarrangements begründet, legitimiert und hinterfragt werden.

Erstmalig werden hier international etablierte Erkenntnisse der Geschlechter-, Migrations- und Careforschung zu Sorge-/Pflegearbeit im Privathaushalt mit Forschungsansätzen aus der Institutional Logics-Perspektive, der französischen pragmatischen Soziologie und der arbeits- und industriesoziologischen Gerechtigkeits- und Legitimitätsforschung verbunden. Ebenfalls erstmalig wird erforscht, welche Aushandlungsprozesse zwischen den beteiligten Akteursgruppen in dem mobilen Feld der transnationalen Home Care Arrangements – zwischen Sende- und Zielländern, zwischen Care Agencies und Privathaushalten – stattfinden.
Ziel ist es, Aufschluss über die transnationalen Home Care Arrangements zu gewinnen, deren Einbettung in die Sozialstaatlichkeit der drei Zielländer zu verstehen, sie auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu vergleichen und zu analysieren, welche Anforderungen und Ansprüche an gute Sorgearbeit hier zum Tragen kommen, verletzt werden bzw. dieses Arrangement insgesamt in Frage stellen.

Projektleitung: Prof. Dr. Helma Lutz
Projektlaufzeit: 2017 - 2021


Flucht aus der Freiheit. Der Weg junger Männer in den Dschihadismus

In den Jahren 2011 bis 2018 zogen über 950 Personen aus Deutschland und knapp 300 Personen aus Österreich in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und im Irak, um an der Seite dschihadistischer Gruppierungen am Aufbau eines islamischen Staates mitzuwirken. Der überwiegende Anteil dieser sogenannten foreign fighters wurde in Deutschland oder Österreich sozialisiert, lebte in den dortigen urbanen Zentren und besuchte die Schule bzw. war in einer Ausbildung, arbeitete oder studierte. Für viele führte das dschihadistische Engagement zu einem Bruch mit ihren bisherigen Lebensweisen und ihrem sozialen Umfeld. In dem Forschungsprojekt »Flucht aus der Freiheit« befassen wir uns mit diesen biografischen Karrieren junger Männer und gehen der Frage nach, wie sich deren Wege in die Subkultur des Dschihadismus und zur Entscheidung über die Ausreise genau gestaltet haben, aus welchen konkreten biographischen Konstellationen sie sich ergaben und welche familiären, sozialen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Kontexte diese beeinflussten.

Das Forschungsprojekt ist als eine qualitative Studie konzipiert. Es stellt Interviews mit ehemaligen Dschihadisten ins Zentrum der Untersuchung und macht die Erfahrungen und Perspektiven der Akteure zum Ausgangspunkt der Analyse. Dadurch wird eine integrierte Untersuchung ihrer Lebensweisen ermöglicht; den unterschiedlichen Dynamiken und Brüchen sowie den verschiedenen Kontextfaktoren und normativen Bezugspunkten der biografischen Entwicklungen soll Rechnung getragen werden. Um die dabei untersuchten Ebenen zusammenzuhalten, wird der Dschihadismus als eine Subkultur konzeptualisiert und die Frage nach den biografischen Verläufen als eine nach subkulturellen Karrieren. Diese begriffliche Rahmung ermöglicht es, die individuellen biografischen Prozesse mit ihren soziokulturellen Bedingungen zu vermitteln wie auch den kollektiven Zügen dieser Bewegung nachzugehen. Schließlich schafft diese kulturwissenschaftliche Grundierung die Voraussetzung für die Integration einer gewalt- und geschlechtersoziologischen Perspektive in die Untersuchung. Männliche Geschlechtsidentitäten und Gewaltaffinitäten werden so in ihrer normativ-kulturellen Bedeutung für den subkulturellen Zusammenhang wie auch für die Handlungsorientierungen der Akteure untersucht.

Die Forschungsergebnisse werden nicht nur zur wissenschaftlichen Aufarbeitung dschihadistischer Karrieren beitragen, sondern auch zur aktuellen Theoriediskussion um Gewalt, Geschlecht und Subkultur.

Projektleitung: Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty und Felix Rossmeissl (IfS Frankfurt)
Projektlaufzeit: 2018 - 2021


NAPRE - The Nature of Political Representation in Times of Dealigment

Das Projekt untersucht das Repräsentationshandeln von Abgeordneten im parlamentarischen Alltag. Dabei stellt es die Frage, wen Abgeordnete im Zeiten verringerten Parteibindungen repräsentieren und welche Rolle wahlsystemische Anreize und parteiorganisatorische für die Vermittlung zwischen Repräsentierten und Repräsentanten spielen.

Projektleitung für Deutschland: Prof. Dr. Thomas Zittel
Laufzeit: 2019 bis 2021


Betriebliche Ursachen geschlechtsspezifischer Karriereverläufe: eine Studie zur Rolle von Personalpolitik und Organisationskontext unter Verwendung von Linked Employer-Employee-Daten

Das Forschungsvorhaben untersucht, wie firmenspezifische Faktoren Karrierewege von Männern und Frauen strukturieren. Wir konzentrieren uns dabei zum einen auf die Rolle der betrieblichen Personalpolitik, v.a. deren Formalisierung sowie der Bedeutung betrieblicher Gleichstellungspolitik, und zum anderen auf den strukturellen Kontext der Organisation, v.a. im Hinblick auf die Berufsstruktur des Unternehmens, der firmenspezifischen Lohnlücke zwischen den Geschlechtern und dem Frauenanteil in Leitungspositionen. Wir streben im Rahmen des Projektvorhabens an, die Effekte dieser Betriebsmerkmale für unterschiedliche Aspekte der Karriereverläufe von Männern und Frauen zu ermitteln, so etwa für Geschlechterunterschiede in den Einstiegsgehältern, Geschlechterunterschiede im Hinblick auf firmenintern Beförderungschancen, Geschlechterunterschiede im Zugang zu Führungspositionen, oder auch Geschlechterunterschiede in den Turnover-Raten. In unseren empirischen Analysen werden wir den Linked Employer-Employee-Datensatz (LIAB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nutzen, um die Zusammenhänge zwischen betrieblichem Kontext und geschlechtsspezifischen Karrieremustern empirisch abzuschätzen. Darüber hinaus werden wir die repräsentativen Haushaltsdaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) heranziehen, um den Beitrag geschlechtsspezifischer Karriereverläufe zur Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zu quantifizieren. In unseren statistischen Analysen werden wir eine Reihe verschiedener ökonometrischer Verfahren anwenden, u.a. etwa lineare Mehrebenenmodelle für Paneldaten, hierarchische Modelle der Ereignisanalyse und einschlägige Dekompositionsverfahren nach Blinder-Oaxaca.

Projektleitung: Prof. Dr. Markus Gangl und Anne Kronberg, PhD (University of North Carolina)
Projektlaufzeit: 2018 - 2021


Das vermessene Leben. Produktive und kontraproduktive Folgen der Quantifizierung in der digital optimierenden Gesellschaft

Gegenstand des Projekts sind die ambivalenten Folgen einer in hohem Maße auf quantitative Steigerung ausgerichteten Optimierungslogik, wie sie im Zuge des digitalen Wandels an Bedeutung gewonnen hat. Mittels eines dreigliedrigen Projektdesigns sollen produktive und kontraproduktive Dimensionen der ‚Orientierung an der Zahl' und der Vermessung des Lebens im Kontext von organisationalen und individuellen digitalen Optimierungsprozessen und hinsichtlich ihrer intersubjektiven und psychischen Bedeutungen untersucht werden.
Das geplante Projekt baut somit auf das von der VolkswagenStiftung im Rahmen seines Programms ‚Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft' geförderte Projekt „Aporien der Perfektionierung in der beschleunigten Moderne. Gegenwärtiger kultureller Wandel von Selbstentwürfen, Beziehungsgestaltungen und Körperpraktiken“ (APAS) auf, das die Bedeutung und Folgen der Anforderungen an Optimierung sozialer Praxis in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern und Lebensbereichen und mit Blick auf Veränderungen kultureller Normen und Konstrukte von ‚Normalität' und ‚Pathologie' erforscht hat.

Die Teilprojekte untersuchen dazu folgende Bereiche digital quantifizierender Optimierung:

Teilprojekt I (Jena): Die Bedeutung von und Orientierung an Zahlen in den Handlungspraktiken und Interaktionsmodi professioneller Organisationen.

Teilprojekt II (Frankfurt/M.): Die Bedeutung von und Orientierung an Zahlen, insbesondere in der Beziehungsgestaltung in Social Media in Relation zur nicht-digitalen und face-to-face- Kommunikation (Frankfurt) sowie in Relation zu PatientInnengruppen (Berliner Sample).

Teilprojekt III (Berlin): Die Bedeutung von und Orientierung an Zahlen unter besonderer Berücksichtigung der Körperpraxis von PatientInnen sowie in Relation zu Nicht-PatientInnen (Frankfurter Sample).

Das Projekt setzt in seiner dreigliedrigen transdisziplinären Untersuchungsanlage und mittels Methodentriangulation (quantitative und verschiedene qualitative Zugänge) den im APAS-Projekt erfolgreich eingeschlagenen Weg fort, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ebenen des Sozialen sowie die Spannung von Normierungen und Praxisveränderungen bis hin zu Überforderungs- und Pathologiepotenzialen zu analysieren sowie neue konzeptuelle und methodologische Zugänge zur Analyse der Vermittlungen von Gesellschaft und Individuum, Kultur und Psyche zu entwickeln.

Projektleitung: Prof. Dr. Vera King, Prof. Dr. Benigna Gerisch (IPU Berlin), Prof. Dr. Hartmut Rosa (Univ. Jena und Max-Weber-Kolleg Erfurt) 
Projektlaufzeit: 2018-2021

PolECulE. Entwicklung eines Curriculums für das bilinguale Unterrichtsfach Politics, Economics & Culture

Im Rahmen des Projekts PolECule soll ein Curriculum für das interdisziplinäre Unterrichtsfach Politics, Economics & Culture entwickelt werden, das den jüngsten Erkenntnissen der Forschung zum bilingualen Sachfachunterricht (Englisch/Deutsch) Rechnung trägt und in der schulischen Praxis – beginnend ab Jahrgangsstufe 6 – erprobt wird. Dabei sollen Inhalte der politisch-ökonomischen Bildung systematisch mit kulturellen Dimensionen verzahnt werden, um die Entwicklung kommunikativer Kompetenzen in der Unterrichtssprache Englisch zu fördern, die sowohl über den alltagstauglichen Wortschatz als auch über die fachspezifische Erkenntnisgewinnung, -erschließung und -weitergabe hinausgehen. Primäres Anliegen des Projekts ist es, ein Kerncurriculum zu entwickeln, das neben der Mehrsprachigkeit auch politisches Verantwortungsbewusstsein, reflektiertes ökonomisches Bewusstsein sowie inter- bzw. transkulturelle Kommunikations- und Handlungskompetenzen umfasst. Darüber hinaus sollen Lernende im Unterrichtsfach Politics, Economics & Culture zentrale gesellschaftliche Werte kennen lernen, die mit Partizipation (participation), gesellschaftlicher Teilhabe (partnership), sozialem Zusammenhalt (social cohesion), Einsicht (access), Gerechtigkeit (equity), Verantwortung (accountability) und Solidarität (solidarity) umschrieben werden können.

Projektleitung: Prof. Dr. Tim Engartner, Prof. Dr. Daniela Elsner 
Laufzeit: 2015 – 2021

Finanzierung: Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt a. M. und AXA Investment Managers Deutschland GmbH



Strukturwandel des Privaten. Europäisierung der e-privacy

Das Private erscheint im öffentlichen Diskurs gegenwärtig im Wesentlichen als bedrohte Sphäre. Privatheit wird zum Gegenstand von Richtlinien, Gesetzen oder Verfassungsartikeln. Ziel des Projekts ist es, vier zentrale Disziplinen, die mit der Reflexion um Bedeutung, Wert und Grenzen des Privaten befasst sind – die Politikwissenschaft, die Rechtswissenschaft, die Informatik und die Kommunikationswissenschaft – zusammenzuführen.

Projektleitung: Prof. Dr. Sandra Seubert
Laufzeit: 2013 - 2017 (Phase 1) und 2018 - 2021 (Phase 2)

Eine BICS - Variante des Kapitalismus?
Herausforderungen für die Stabilität des Wirtschaftsmodells großer Schwellenländer am Beispiel Brasiliens und Indiens

Ist der Aufstieg großer Schwellenländer vorerst an ein Ende gelangt?

Einbrechende Wachstumsraten und politische Turbulenzen legen diesen Schluss nahe und bestimmen weite Teile der akademisch-öffentlichen Debatte. Das vorliegende Projekt greift diese Debatte auf und untersucht die Stabilität des in den großen Schwellenländern vorherrschenden Wirtschaftsmodells aus der Perspektive der Vergleichenden Kapitalismusforschung. In der ersten Projektphase konnte die Herausbildung eines eigenen Modells staatlich-durchdrungener Marktwirtschaft (SME) in diesen Ländern nachgewiesen werden. Die von diesem Kapitalismustyp erzeugte wirtschaftliche Dynamik beruht insbesondere auf dem Zusammenspiel institutioneller Teilbereiche, die nun im Zentrum der zweiten Projektphase stehen: In einem ersten Arbeitsschritt soll im Rahmen eines kontrollierten Vergleichs zwischen Brasilien und Indien überprüft werden, ob die Grundpfeiler des Wirtschaftsmodells von einem Wandel erfasst worden sind, der die wirtschaftliche und politische Verfasstheit der SME grundsätzlich in Frage stellt. In einem zweiten Arbeitsschritt sollen hingegen die Ursachen für Stabilität oder Wandel im Wirtschaftsmodell identifiziert werden. Mit Hilfe qualitativer und quantitativer Indikatoren soll überprüft werden, ob sich, wie vermutet, in Brasilien ein politisch-ökonomischer Pfadwechsel vollzieht, während das indische Wirtschaftsmodell stabilisierende Anpassungsprozesse durchläuft. Das Forschungsteam erwartet sowohl neue Erkenntnisse über die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer als auch ein präziseres Verständnis von Prozessen institutionellen Wandels und kapitalistischer Dynamik.

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Nölke

Laufzeit: 2017 - 2021



Ungleichheit und direkte Demokratie in Europa

Auf die inkludierende Wirkung (neuer) Partizipationsformen, wie beispielsweise direktdemokratische Verfahren, wurden zeitweise große Hoffnungen gesetzt. Diese Hoffnungen haben sich jedoch als wenig realistisch erwiesen. Direktdemokratische Verfahren werden, hierzulande spätestens seit dem Hamburger Schulentscheid, häufig als Ungleichheit fördernd bewertet - Direktdemokratie würde Gleichheit eher verhindern und Ungleichheiten verschärfen. Doch tragen direktdemokratische Verfahren tatsächlich zur Stabilisierung oder sogar zu einer Vertiefung von Ungleichheiten bei? Das Projekt untersucht basierend auf partizipations-, ungleichheits- und institutionentheoretischen Zugängen quantitativ-vergleichend die Effekte unterschiedlicher direktdemokratischer Verfahrenstypen auf sozio-ökonomische und rechtliche Ungleichheiten, auf die disparitäre Repräsentation (politische Ungleichheit), auf Beziehungsungleichheit sowie auf (Neu-)Konfigurationen des politischen Raums.

Projektleitung: Prof. Dr. Brigitte Geißel
Laufzeit: 2017 bis 2020




„When bad men combine, the good must associate…“? Eine ideengeschichtliche Studie zur Wahrnehmung politischer Parteien in Großbritannien und Deutschland im langen 19. Jahrhundert

Die geplante Studie fragt in ideengeschichtlich vergleichender Perspektive nach der Wahrnehmung politischer Parteien in der englischen und deutschen Staatstheorie im „langen 19. Jahrhundert “ (1789– 1914). Konkret lautet die Forschungsfrage: Wie bewertet das politische Denken zwischen Edmund Burke und Robert Michels das Phänomen der politischen Partei? Dabei sind vor allem drei Hinsichten von besonderem Interesse:
(1) Welche argumentativen Kontinuitätslinien, aber auch Anregungspotenziale hält der frühe europäische Parteiendiskurs für unsere gegenwärtige Debatte um den Parteienstaat bereit ? (Archiv und Arsenal)
(2) Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es bei der Bewertung politischer Parteien in Deutschland und Großbritannien im langen 19. Jahrhundert ? (Vergleich)
(3) Welche Einflüsse gehen vom englischen politischen Denken der Zeit sowie der bereits weiter entwickelten parlamentarischen Praxis in England auf die deutsche Parteientheorie aus? (Wissenstransfer)
Gab es tatsächlich einen generellen Anti-Parteien-Affekt in der Geschichte des europäischen politischen Denkens? Vorarbeiten zur geplanten Studie lassen im Gegenteil vermuten, dass es bereits vor 200 Jahren eine positive und elaborierte Theorie und Soziologie der politischen Parteien gegeben hat, der ein modernes Parteienverständnis zugrunde lag.  

Projektleitung: Dr. Philipp Erbentraut
Laufzeit: 2017 bis 2020



The German Labor Market in a Globalized World: Challenges through Trade, Technology and Demographics, DFG Priority Program 1764

The central purpose of the Priority Programme is to develop a deeper understanding of the challenges facing labour markets in Germany in particular and throughout Europe in a global context. The programme addresses pertinent research issues on the link between trade, technology, and demographic changes as they affect wages and employment. In an international perspective, the programme will analyse empirically the way the German labour market works with particular emphasis on labour market flows, on the role of institutions and policies, on the explanation for the increase in inequality, on demographic changes, and on the links to education and important non-economic motives and outcomes. An understanding of these issues is key for policies relating to skills development of the population at all ages, family issues and gender in the labour market, demography, child development, health, social policies, crime, immigration, as well as the macroeconomic performance of the labour market. The challenges posed by competition and potential immigration combined with demographic developments will not only affect various labour market groups in different ways (with important consequences for inequality), but also force human resource management practices to adapt.

Projektleiter: Prof. Dr. Markus Gangl (u.a.)

Projektlaufzeit: 2014-2020


Justitia Amplificata
Kolleg-Forschergruppe

Justitia Amplificata ("Rethinking Justice - Applied and Global") is a Centre for Advanced Studies (Kolleg-Forschergruppe) at the Goethe-Universität of Frankfurt am Main

Projektleitung: Prof. Dr. Rainer Forst | Prof. Dr. Stefan Gosepath
Laufzeit: 2009 - 2022

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Religiöser Antikapitalismus? Jüdische, christliche und islamische Positionierungen im Vergleich

Das Projekt untersucht religiös motivierte Formen der Kapitalismus- und Vermarktlichungskritik anhand exemplarischer soziologischer Fallstudien zu jüdischen, christlichen und islamischen Gemeinschaften in Frankfurt am Main.

Religionsgemeinschaften positionieren sich mit ihren Weltdeutungen und Werthaltungen nicht nur innerhalb der religiösen Sphäre, sondern auch gegenüber säkularen Teilbereichen der Gesellschaft und den in ihnen institutionalisierten Handlungslogiken. Sie halten Deutungsressourcen bereit, die in Spannung zur Eigenlogik gesellschaftlicher Funktionsbereiche (Politik, Recht, Wirtschaft, Wissenschaft) treten können. Von besonderer Relevanz sind die vielfach konfliktreichen Positionierungen religiöser Gruppierungen zur Sphäre der Ökonomie, wie wir spätestens seit Max Webers klassischen Studien wissen. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten ökonomischen Krisenerscheinungen und der Entwicklung einer »Marktgesellschaft«, in der Tausch und Konkurrenzverhältnisse in immer mehr Lebensbereiche vordringen, sind kapitalismuskritische Positionen religiöser Gruppen ein vielversprechendes, zugleich aber in Bezug auf die Gegenwartsgesellschaft kaum bearbeitetes Sujet.

Die ethnographisch angelegte Untersuchung gliedert sich in drei Teilfragen und Analyseebenen. (1) Auf einer deskriptiven Ebene soll die Frage beantwortet werden, worauf sich die religiöse Kritik an kapitalistischen Verwertungsprozessen und Tendenzen der Vermarktlichung genau bezieht und welche jüdischen, christlichen oder islamischen Semantiken dafür in Anspruch genommen werden. (2) Auf einer explikativen Ebene geht es darum, wie sich religiöse Positionierungen gegenüber kapitalistischen Marktordnungen und ihren sozialen Folgeerscheinungen erklären lassen. Inhaltliche Positionen und gesellschaftliche Positionierungen werden in Anlehnung an figurationssoziologische Überlegungen von Norbert Elias aus ihrer Interdependenz mit anderen Positionen und Positionierungen begriffen. (3) Schließlich nimmt sich das Forschungsvorhaben – hier in besonders enger interdisziplinärer Kooperation mit den anderen Teilprojekten des LOEWE-Schwerpunkts – der Frage an, ob und wie es sich rechtfertigen lässt, pluralismusfähige gegenüber pluralismusunfähigen Formen der religiösen Marktkritik normativ auszuzeichnen. Das Projekt geht dabei von der Grundannahme aus, dass eine demokratische Zivilgesellschaft auf Interpretationsgemeinschaften angewiesen ist, die als kritische gesellschaftliche Reflexionsinstanzen fungieren.

Projektleitung des Teilprojekts: Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty, Projektmitarbeiterin: Dr. Claudia Willms
Projektlaufzeit: 2017-2020






DIPLOWAR
Hybrid Practices of Diplomacy and Warfare

DIPLOWAR is an interdisciplinary research project that uses practice theory to illuminate the changing relationship between diplomacy and warfare. The central conceptual move of the project is to conceive of diplomacy and warfare not primarily as political or legal relations between states but as structuring principles of peaceful and violent political practices.

Through an explorative study of foreign policy decision-making in the United States and Germany from 1945 to the present, the project will demonstrate that practices of diplomacy and warfare which once were neatly separated have increasingly formed hybrid constellations. DIPLOWAR seeks to both sharpen our analytical vocabulary and deepen our empirical understanding of these processes of hybridisation to help scholars, practitioners, and the public to come to terms with the new realities of war and peace. The outgoing phase of the project will be hosted by the Arnold A. Saltzman Institute for War and Peace Studies at Columbia University, New York, the return phase by the Faculty of Social Sciences at Goethe University Frankfurt.

Projektleitung an der Goethe Universität: Prof. Dr. Christopher Daase
Laufzeit: 2018 bis 2020