David Schultz, M.A.

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Zur Person
David Schultz studierte Soziologie an der Universität Heidelberg und an der Lund University. Seit November 2020 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt "Umstrittene Gewaltverhältnisse. Die umkämpften Grenzen verbotener, erlaubter und gebotener Gewalt in der Moderne", das von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur gefördert wird.

Im Rahmen des Projekts verfasst er seine Promotionsarbeit. Betreut wird das Vorhaben von PD Dr. Eddie Hartmann (Leiter des Projekts "Umstrittene Gewaltverhältnisse"/Universität Potsdam) und Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty.

Promotionsprojekt:
Unter Tatverdacht. Eine soziologische Studie über Männlichkeit in gewaltsensiblen Zeiten

Männliche Hegemonie gerät in den vergangenen 50 Jahren immer mehr in Kritik. Besonders in den rechtlichen Bemühungen der Frauenbewegung wie auch in aktuellen gesellschaftspolitischen Diskursen zu Toxischer Männlichkeit und #MeToo äußert sich eine gestiegene Sensibilität für Gewaltformen und somit für Verletzbarkeitsansprüche, die zunehmend gegenüber männlichen Gesellschaftsmitgliedern eingeklagt werden. Etwa als "toxisch" bezeichneten Männlichkeitsidealen wird dabei ein hohes Gefahrenpotenzial zugeschrieben, insbesondere für nicht-männliche Personen, aber auch für Männer selbst. Diese Diskurse bestätigen die soziologische Feststellung, dass Verletzungsmacht und die Abwehr von Verletzungsoffenheit als gesellschaftlich legitime Ressourcen zur Herstellung von Männlichkeit fungieren. Gleichzeitig fordern sie diese kulturell tief verankerten Legitimitätsvorstellungen heraus, indem sie die enge Verknüpfung von Männlichkeit und Gewalt kritisch hinterfragen.

Bestehende Forschungsarbeiten teilen die Gefahrenperspektive der gesellschaftspolitischen Debatte. Sie fragen üblicherweise danach, warum Gewalttäter (und auch -opfer) weit überwiegend männlichen Geschlechts sind oder inwieweit etwa sexistische und rassistische Einstellungen durch die Wirkkraft von gewaltbezogenen Männlichkeitsidealen erklärt werden können. Während diese Arbeiten dadurch selbst zur kritischen Infragestellung von Männlichkeit beitragen, verfolgt das Promotionsprojekt eine andere Fragerichtung. Es untersucht anhand von leitfadengestützten narrativen Interviews mit männlich sozialisierten Personen, (1) wie sich die gewaltbezogene Problematisierung von Männlichkeit in den Selbstdeutungen von Männern niederschlägt, (2) welche normativen Aushandlungen von Gewalt und Männlichkeit in den geäußerten Selbstverständnissen sichtbar werden und (3) inwiefern sich die Erzählungen je nach lebensweltlichem Kontext unterscheiden.

Um der empirischen Kontingenz und Vielfalt des Phänomens Rechnung zu tragen, werden am Konzept der Indexikalität orientierte Gewalt- und Männlichkeitstheorien herangezogen und zudem die Untersuchungsgruppe nach für den Gegenstand relevanten Kriterien (Alter, mit Kindern/kinderfrei, Milieuzugehörigkeit) strukturiert. Ziel ist die Entwicklung einer Typologie, die die unterschiedlichen Varianten des (selbst)deutenden Umgangs mit der skizzierten Problematisierung und damit einhergehende Ambivalenzen und Identitätskämpfe abbildet.

Das Projekt leistet einen Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte über den Wandel von Männlichkeit(en), indem es den Blick für solche Wandlungsaspekte schärft, die als Folge einer gestiegenen gesellschaftlichen Gewaltsensibilität betrachtet werden können. Außerdem trägt es zu einer Gewaltsoziologie bei, die sich für den kontingenten und kontextabhängigen sozialen Sinn von Gewalt interessiert, indem es den mitunter umstrittenen Deutungen und Bewertungen problematisch gewordener Verhaltensweisen und -normen nachspürt, und zwar bezogen auf das Verhältnis zu nicht-männlichen Personen (insbesondere Frauen), zu anderen Männern sowie zu Kindern.