Felix Roßmeißl, M.A.

Flucht aus der Freiheit. Der Weg junger Männer in den Dschihadismus

rossmeissl@em.uni-frankfurt.de

Promotion im Forschungsprojekt "Flucht aus der Freiheit. Der Weg junger Männer in den Dschihadismus"

In den Jahren 2011 bis 2018 zogen über 950 Personen aus Deutschland und knapp 300 Personen aus Österreich in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und im Irak, um an der Seite dschihadistischer Gruppierungen am Aufbau eines islamischen Staates mitzuwirken. Der überwiegende Anteil dieser sogenannten foreign fighters wurde in Deutschland oder Österreich sozialisiert, lebte in den dortigen urbanen Zentren und besuchte die Schule bzw. war in einer Ausbildung, arbeitete oder studierte. Für viele führte das dschihadistische Engagement zu einem Bruch mit ihren bisherigen Lebensweisen und ihrem sozialen Umfeld. In dem Forschungsprojekt "Flucht aus der Freiheit" befassen wir uns mit diesen biografischen Karrieren junger Männer und gehen der Frage nach, wie sich deren Wege in die Subkultur des Dschihadismus und zur Entscheidung über die Ausreise genau gestaltet haben, aus welchen konkreten biographischen Konstellationen sie sich ergaben und welche familiären, sozialen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Kontexte diese beeinflussten.

Das Forschungsprojekt ist als eine qualitative Studie konzipiert. Es stellt Interviews mit ehemaligen Dschihadisten ins Zentrum der Untersuchung und macht die Erfahrungen und Perspektiven der Akteure zum Ausgangspunkt der Analyse. Dadurch wird eine integrierte Untersuchung ihrer Lebensweisen ermöglicht; den unterschiedlichen Dynamiken und Brüchen sowie den verschiedenen Kontextfaktoren und normativen Bezugspunkten der biografischen Entwicklungen soll Rechnung getragen werden. Um die dabei untersuchten Ebenen zusammenzuhalten, wird der Dschihadismus als eine Subkultur konzeptualisiert und die Frage nach den biografischen Verläufen als eine nach subkulturellen Karrieren. Diese begriffliche Rahmung ermöglicht es, die individuellen biografischen Prozesse mit ihren soziokulturellen Bedingungen zu vermitteln wie auch den kollektiven Zügen dieser Bewegung nachzugehen. Schließlich schafft diese kulturwissenschaftliche Grundierung die Voraussetzung für die Integration einer gewalt- und geschlechtersoziologischen Perspektive in die Untersuchung. Männliche Geschlechtsidentitäten und Gewaltaffinitäten werden so in ihrer normativ-kulturellen Bedeutung für den subkulturellen Zusammenhang wie auch für die Handlungsorientierungen der Akteure untersucht.

Die Forschungsergebnisse werden nicht nur zur wissenschaftlichen Aufarbeitung dschihadistischer Karrieren beitragen, sondern auch zur aktuellen Theoriediskussion um Gewalt, Geschlecht und Subkultur.