Ina Schaum (Seit Oktober 2018 Stipendiatin des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks)

Jüdischsein, Deutschsein, Verliebtsein. Eine Untersuchung von Liebesbeziehungen junger jüdischer Erwachsener in Deutschland.

Jüdischsein, Deutschsein, Verliebtsein.

 

Im Zentrum des Dissertationsprojektes steht die empirisch verankerte Erarbeitung einer feministischen, empirisch begründeten Theorie von  Liebesbeziehungen als Orte der Herstellung, Verhandlung und Aufhebung von Identitäten, Zugehörigkeiten und Differenzen. Dabei werden vor allem intersektionelle Herstellungsprozesse von Gender und jüdischer und/oder deutschen Identitäts- und Differenzkonstruktionen in den Blick genommen. 

Die Dissertation hat zwei Ausgangspunkte. Der erste ist, sich Liebe als eigenständigem Forschungsgegenstand feministischer Analyse zuzuwenden. In Liebesbeziehungen werden Geschlechterverhältnisse und andere Ungleichverhältnisse und damit zusammenhängenden Gefühlsarbeiten (re)produziert, verändert, aufgehoben oder legitimiert. Der zweite Ausgangspunkt ist die Feststellung von Kurt Grünberg in seiner Studie „Liebe nach Auschwitz“ (2000), dass Liebesbeziehungen den wohl intimsten Kontakt zwischen Nachkommen von Überlebenden der Shoah und Nachkommen von Täter*innen, Mitläufer*innen und Nazi-Sympathisant*innen in Deutschland bilden. Vor dem Hintergrund einer postnationalsozialistischen Gesellschaft stellt sich die Frage, wie vergangene und gegenwärtige gesellschaftliche Dominanzverhältnisse intime Beziehungen und Liebesbeziehungen prägen – oder ob und wie sie davon unberührt bleiben. Die beiden Ausgangspunkte sollen in einer biographieanalytischen Studie miteinander verknüpft werden, in der biographisch-narrative Interviews mit Menschen, die sich jüdisch identifizieren, durchgeführt werden.

Außerdem sollen forschungsethische Überlegungen in Hinblick auf Theoriebildungsprozesse, Methodenentwicklung und Ergebnisdarstellung im Kontext der „negativen deutsch-jüdischen Symbiose“ (Diner 1986) einerseits und einer feministischen Epistemologie des „situierten Wissens“ (Haraway 1988) andererseits entwickelt werden, da die individuelle, familiäre und soziale Verstrickung mit dem Nationalsozialismus keine Position der Unbeteiligtheit zulässt und eine reflektierte und selbstkritische Positionierung von mir als nicht-jüdischer Forscherin verlangt.