Fellows 2022/23

Nojang Khatami hat 2021 an der University of British Columbia mit einer Arbeit über »Rewriting the People: Narrative, Exilic Thinking, and Democratic Agency beyond the West« promoviert. Sein aktuelles Forschungsprojekt »Aesthetics, Agency, and Democratic Imagination« befasst sich mit der Frage, wie in Gesellschaften, die von tiefgehender Diversität gekennzeichnet sind, Praktiken der Solidarität kultiviert werden können. Zu diesem Zweck setzt sich Khatami mit der politischen Bedeutung künstlerischer Narrative in historischen und zeitgenössischen Erscheinungsformen auseinander und stellt die Frage, wie diese auf unsere demokratische Vorstellungskraft einwirken können. Ihm zufolge sind ästhetische Ausdrucksformen in allen Kulturen signifikante Marker für die Art und Weise, wie wir uns nicht zu rechtfertigender Normen bewusst werden und durch die Praxis demokratischen Handelns auf sie reagieren. Im Anschluss an seinen Aufenthalt am Forschungskolleg Humanwissenschaften wird Khatami die Position als Assistant Professor am Fachbereich Politikwissenschaft der Fordham University am Lincoln Center Campus in New York City aufnehmen.

Cain Shelley promoviert gegenwärtig an der London School of Economics and Political Science. Betreut wird seine Arbeit von Lea Ypi. 2021 war er als Visiting Research Student zu Gast an der Harvard University. In seinem Promotionsprojekt »Justice & Class Consciousness: A Theory of Political Transition« befasst sich Shelley mit den Möglichkeiten politischer Veränderung hin zu einer Welt, die weniger von ökonomischer Ungleichheit geprägt ist. Hierzu entwickelt er eine neue Konzeption von Klassenbewusstsein und argumentiert, dass aktivistische politische Praxis eine zentrale Rolle dabei spielt, die Bedingungen für ein solches Bewusstsein hervorzubringen. Eine überzeugende Theorie des Klassenbewusstseins muss Shelley zufolge drei Komponenten verbinden: Eine überzeugende Sozialontologie, die die Sozialstruktur ökonomischer Produktion im 21. Jahrhundert analysiert, eine Ethik der Klassenpolitik, die die Bedingungen beschreibt, unter denen kollektives Handeln der »working class« moralisch wünschenswert ist, und eine plausible Moralpsychologie. Zuletzt ist seine Forschung im Journal of Political Philosophy und dem European Journal of Political Theory erschienen. 

Carlotta Voß hat 2021 an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit zu »Ironie und Urteil. Thukydides’ ironische Historiographie als Medium kritischer Anthropologie« promoviert. Ihr aktuelles Forschungsprojekt »Zwischen Tradition und Utopie. Über die (Un)möglichkeit einer dekonstruktiv-agonalen Ethik« beschreibt sie wie folgt: »Einerseits versuche ich, Traditionslinien des philosophischen und theologischen Kairos-Denkens der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der agonalen radikalen Demokratietheorie nachzuzeichnen; andererseits die zentralen Denkfiguren und normativen Potentiale jener Denktradition auf ihre Eignung für den Entwurf einer dekonstruktiv-agonalen Ethik zu befragen. Besonders Hannah Arendts Begriffe des Versprechens (und Verzeihens) möchte ich – unter Rückgriff auf ihre Wurzeln etwa bei Nietzsche und Kierkegaard und ihre Weiterentwicklungen etwa bei Paul Ricoeur oder Judith Butler – entlang der postfundamentalistischen Prämissen der agonalen radikalen Demokratietheorie zu denken versuchen. Nicht zuletzt verbindet sich mit meinem Projekt die Hoffnung, aus der Perspektive einer im Zuschnitt diachronen radikaldemokratischen Ethik eine Frage (re)formulieren zu können, die im Lichte der Klimakrise gegenwärtig diskursiv virulent ist: Die Frage der »Generationengerechtigkeit«.